Freitag, 22. März 2019

Sehr geehrte Frau Barley,

Regierungskoalitionen bringen Kompromisse mit sich, das weiß jeder politisch halbwegs interessierte und informierte Mensch. Es gibt aber einen Unterschied zwischen einem hart errungenen Kompromiss und der widerstandslosen Übernahme der Positionen der Koalitionpartnerin. Ganz besonders, wenn diese eineregelrechte Zerstörungskampagne gegen eine zivilgesellschaftliche Organisation führt.

Die Deutsche Umwelthilfe hat sich bei der Autolobby nicht beliebt gemacht, das ist klar. Dass CDU und CSU die Autolobby gerne mal mit den Menschen verwechseln, die sie zu ihren Vertreter*innen gewählt haben, ist auch weidlich bekannt. Insofern empört es zwar, verwundert jedoch nicht, dass aus der konservativen Ecke nichts als Bevormundungsfantasien und Drohungen kommen, die einer demokratischen Partei eigentlich äußerst schlecht anstehen. Die Forderung, der DUH die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, ist nur ein Beispiel.
Bedenklich(er) wird es allerdings, wenn SPD-Politiker*innen dem nichts mehr entgegenzusetzen haben, sondern diese Linie am Ende stillschweigend unterstützen. Genau das scheinen Sie aber zu tun: in den Verhandlungen zu einem europäischen Verbandsklagerecht hat sich Ihr Ministerium dafür ausgesprochen, den Vorschlag der EU-Kommission so abzuändern, dass viele Verbände, darunter die DUH, von der Möglichkeit der Verbandsklage ausgenommen sind. Nur zur Erinnerung: Die DUH ist in der letzten Zeit vor allem dadurch bekannt geworden, dass sie Städte verklägt hat, die die Stickstoff-Emissions-Grenzwerte nicht einhalten und trotzdem keine wirksamen Maßnahmen - konkret ging es vor allem um innerstädtische Fahrverbote für die meisten Diesel-Fahrzeuge - ergreifen. Dieses Mittel wurde oft kritisiert, obwohl hier nichts anderes passiert, als dass staatliche Stellen zur Umsetzung ihrer eigenen Gesetze gezwungen werden.

Die Möglichkeit, im Namen vieler betroffener Einzelpersonen zu klagen, ist also ein Instrument, das gut in die Arbeitsweise der Deutschen Umwelthilfe passt. Diese könnte es so nutzen, wie es auch gedacht ist - und das ist offensichtlich nicht gewollt. Sie setzen sich also dafür ein, die EU-Richtlinie so abzuändern, dass die, die am meisten Nutzen davon hätten, nicht davon profitieren. Warum? Die DUH nutzt Instrumente, die Grundlage jedes Rechtsstaats sind. Dass der Staat sich an seine eigenen Regeln halten und sich dafür verantworten muss, wenn er das nicht tut, sollte selbstverständlich sein. Warum sollte man versuchen, diejenigen zu behindern, die genau das durchsetzen?

Schon als es um die deutsche Musterfeststellungsklage ging, wurde die DUH aus dem Gesetz herausdefiniert. Auf europäischer Ebene bietet sich jetzt die Möglichkeit, diesen Fehler zu beheben. Die Sozialdemokrat*innen im europäischen Parlament haben das verstanden und sich gemeinsam mit den Grünen für eine weniger restriktive Regel eingesetzt. Sie, die Sie als Spitzenkandidatin der SPD in den Europawahlkampf ziehen und nicht müde werden, zu betonen, wie europäisch Sie schon aufgrund Ihrer Biografie denken, sollten sich daran ein Beispiel nehmen, statt zu versuchen, ein Ärgernis für eine nationalstaatliche Regierung auf dem Umweg über Europa aus dem Weg zu räumen. Das und nicht weniger verlange ich von einer Sozialdemokratin.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

taz.de: Bleibt die Umwelthilfe außen vor?

Bildquelle:

https://katarina-barley.spd.de/fileadmin/Bilder/Barley/Website/SPD_Barley_Katarina_rgb.jpg