Freitag, 28. April 2017

Sehr geehrter Herr Mélenchon,

ich kann verstehen, dass Sie frustriert sind. Nach dem langen Präsidentschaftswahlkampf und ihrem phänomenalen Endspurt, mit dem sie zu den anderen Kandidaten aufgeschlossen haben, so dass noch einmal alles möglich schien, muss es besonders bitter gewesen sein, sich doch noch geschlagen zu geben und die Stichwahl der französischen Präsidentschaftswahlen nicht zu erreichen. Ich kann ebenfalls verstehen, dass Sie ganz und gar nicht begeistert sind, einem Liberalen wie Emmanuel Macron den Platz in der Stichwahl räumen zu müssen. Dass dessen Ansichten aus Ihrer Sicht mit dem Festhalten am Status quo gleichzusetzen sind und damit Ihren Visionen von einer "Sechsten Republik" widersprechen muss besonders ärgerlich sein.

Trotzdem glaube ich, dass Sie einen Fehler machen, wenn Sie Macron und die rechtsradikale Kandidatin Marine Le Pen faktisch gleichsetzen, indem Sie als einziger Kandidat keine Wahlempfehlung aussprechen. Sicher, Macron ist beileibe nicht das, was man sich für Frankreich gewünscht hat. Nicht nur Sie und Ihre Wähler, auch die Sympathisanten des Kandidaten der Sozialisten, Benoît Hamon - darunter mit Sicherheit auch eine gewisse Anzahl Macron-Wähler, die sich für den aussichtsreicheren Kandidaten entschieden haben, um Le Pen zu verhindern - hätten lieber einen etwas linkeren Präsidenten gehabt. Trotz all seiner Defizite und seiner richtungslosen Stimmensuche links und rechts der Mitte ist Macron jedoch der rechten Le Pen klar vorzuziehen. Nicht wegen seines Bekenntnisses zu Europa und der Europäischen Union, das Ihnen ja so auch nie über die Lippen gekommen wäre, sondern wegen des Hasses gegen alles Fremde, den der Front National und seine Chefin Le Pen schon seit vielen Jahren schüren. Kann Le Pen ihre Vorsatellungen durchsetzen, dann wird es in Frankreich eine Diskriminierung gerade muslimischer Menschen geben, wie sonst nirgends in Europa. Macron steht nicht für Gleichheit, denn zwischen Armen und Reichen wird er keinen Ausgleich schaffen. Zumindest steht er aber nicht für einen so eklatanten Abbau der Rechte in Frankreich lebender Menschen, wie seine Konkurrentin. Deshalb bitte ich Sie: Empfehlen auch Sie Ihren Wählern, das kleinere Übel zu wählen. Fünf Jahre so weiter wie bisher, das hält Frankreich aus. Ob es fünf Jahre Le Pen aushält ist nicht sicher.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

Neues Deutschland: Mélenchon drückt sich um Wahlempfehlung
FAZ.net: Marine Le Pen auf Stimmenfang bei Mélenchon

Bildquelle:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/78/Melenchon%2C_6%C3%A8me_R%C3%A9publique_-_MG_6549_rogn%C3%A9.jpg

Freitag, 21. April 2017

Sehr geehrter Herr Dobrindt,

kommen wir gleich zum Punkt: Ihr Ministerium (das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) hat im Laufe des VW-Abgas-Skandals die sogenannte VW-Untersuchungskommission eingesetzt, die unter anderem von 2015 bis zum Frühjahr 2016 Schadstofftests bei verschiedenen Dieselautos durchführte. Warum bleiben Sie der Öffentlichkeit bis heute Teile der Ergebnisse schuldig?
Sicher, eigentlich ging es den Prüfern der Kommission um die Stickoxidwerte und jeder weiß inzwischen, dass Dieselautos viel zu viel davon in die Umwelt pusten und so ziemlich alle Hersteller die Stickoxidtests ihrer Modelle durch illegale Abschaltvorrichtungen manipuliert haben. Was aber immer noch nicht öffentlich gemacht wurde (zumindest nicht von Ihnen): Auch die CO₂-Werte, die das Kraftfahrtbundesamt (KBA) ermittelte, lagen weit über den offiziellen Zahlen, bei einigen Wagen sogar bis zu 36% darüber. Auch bei einer weiteren Kontrollmessung blieb es dabei. Das ist für die Autoindustrie und den Verkehrsminister natürlich ärgerlich, haben sich beide doch auf Umrüstaktionen geeinigt, die eigentlich alle davon überzeugen sollten, dass dem großen Betrug nun eine noch größere Läuterung folgt und die Umweltprobleme der Dieselfahrzeuge Geschichte sind. Umrüstaktionen allerdings, die auf die Reduktion des Stickoxidausstoßes abzielen, nicht auf die des CO₂-Ausstoßes. Also alles zurück auf Anfang?
Besonders kitzlig ist die Sache, weil die nun bekannt gewordenen Zahlen (aus als "geheim" eingestuften internen Dokumenten des KBA) sich nicht auf Tests unter Straßenbedingungen beziehen, sondern auf die die üblichen vollkomen unrealistischen Tests, denen sich die Autos auch bisher unterziehen mussten. Selbst unter diesen stark idealisierten Voraussetzungen stoßen die 30 getesteten Wagen also 10-36% mehr CO₂ aus, als für das jeweilige Modell zulässig wäre. Bei normaler Fahrt wären die Werte also noch einmal deutlich höher. Außerdem liegen selbst die Werte, die für die einzelnen Autos zugelassen wären, noch ausnahmslos über dem für Neuzulassungen ab 2020/21 vorgeschriebenen Wert von 95 Gram CO₂/km. Wie die Hersteller diese Marke in den kommenden 3 Jahren erreichen wollen bleibt also schleierhaft.
Warum aber diese ganze Verschleierung? Warum nicht gleich die Karten auf den Tisch legen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen? Liegt es daran, dass Dieselautos bislang als verhältnismäßig klimafreundlich galten, weil sie weniger Sprit verbrauchen (nebenbeibemerkt vollkommen absurderweise, schließlich werden die Dieselmotoren immer größer und kräftiger und verbrauchen damit auch wieder mehr)? Sollte die deutsche Autoindustrie, die sich sehr auf den Dieselantrieb eingeschossen hat, geschont werden?
Herr Dobrindt, Sie sind nicht VW- oder Opelminister, Sie sind Verkehrsminister. Ich verlange von Ihnen, dass Sie sich der Gestaltung eines zukunftsfähigen Verkehrskonzepts verpflichtet fühlen und nicht den Interessen irgendwelcher Konzernbosse. Sie übernehmen hier nicht nur Verantwortung für Ihre Karriere nach der Politik, sondern so ganz nebenbei auch für einige Aspekte des Lebens von mehr als 80 Millionen Menschen. Nein, mehr sogar, denn Klimawandel und Umweltschädigung durch Abgase machen nicht an Landesgrenzen halt. Bedenken Sie das also bitte das nächste mal, wenn Sie ein paar Blätter mit brisanten Testergebnissen in den Händen halten.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

taz.de: Messungen des Kraftfahrt-Bundesamtes: Das Märchen vom Diesel
BMVI: Dobrindt: Mehr als 500.000 Dieselfahrzeuge werden umweltfreundlich umgerüstet

Bildquelle:

http://www.alexander-dobrindt.de/fileadmin/user_upload/images/alexander-dobrindt-2014.jpg

Freitag, 7. April 2017

Sehr geehrter Herr Lindner,

nicht, dass ich mal in Erwägung gezogen hätte, Ihre Partei zu wählen. Zu solchen Überlegungen war ich noch nicht einmal ansatzweise vorgedrungen, als mir die sozialpolitische Mir-doch-egal-Haltung der FDP schon gründlich auf die Nerven ging. Dass Sie diese Linie nun fortsetzen ist natürlich nur konsequent und dass ich Sie im September nicht wählen werde ebenso. Man könnte meinen, ich hätte mich mittlerweile daran gewöhnt, dass man Umwelt- und Sozialstandards bei der FDP nur als Störfaktoren sieht, aber hin und wieder kommt mir die Sache doch mal wieder hoch. Herr Lindner, wir sind nicht alle kleine Self-made-Millionäre! Für einige von uns - der Anteil ist gar nicht mal so klein - machen Einrichtungen wie ein gesetzlicher Mindestlohn durchaus Sinn. Gedanken der Umverteilung machen Ihnen offenbar Angst, weil Sie wissen, dass Sie persönlich dabei nichts dazugewinnen. Solidarität mit Leuten, dei schlechter dran sind als Sie, scheint Ihnen fremd zu sein.

Stattdessen machen Sie sich auf groteske Weise über das Leiden der Menschen in Griechenland lustig, indem Sie im Wahlkampf in NRW Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als "Kraftikakis" zu verunglimpfen versuchen, weil die BILD-Zeitung ihr Bundesland aufgrund anhaltender Finanzprobleme als "das deutsche Griechenland" bezeichnete. Was weiß Christian Lindner über Griechenland? Offenbar hauptsächlich, das Griechen pleite sind und lustige Namen haben, die auf -akis enden. Vielen Dank für diese Demonstration von Fingerspitzengefühl.
Das der Vergleich außerdem stark hinkt, weil Griechenlands Wirtschaft noch immer am Boden liegt, während NRW - ohnehin auf einem ganz anderen Niveau - beim Wirtschaftswachstum fast den Bundesdurchschnitt erreicht: geschenkt.

Im Moment stehen Sie mit Ihrer FDP in den Umfragen zur NRW-Wahl ganz gut da. Sie sprechen ununterbrochen von Freiheit und fordern ein "Entfesselungsgesetz", um Maßnahmen des grünen Umwelt- und Verbraucherschutzministers Johannes Remmel zurückzunehmen. Dass es dabei immer nur um die Freiheit der Märkte und die Entfesselung der Unternehmen geht, statt um die Belange der Angestellten und das Wohl aller Bewohner des Landes, werden die meisten wohl zu spät bemerken. Vielleicht reicht dem einen oder anderen ja die Zeit bis zur Bundestagswahl, um zu bemerken, wie kurzsichtig Ihre Politik ist. Ich würde es mir und Ihnen wünschen.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

liberale.de: Rot-Grün zeigt beispielhaft, wie ein Haushalt ruiniert wird
taz.de: Die große One-Man-Show der FDP

Bildquelle:

https://www.christian-lindner.de/sites/default/files/2016-10/Portraitfoto.jpg