Türkische Botschaft in Kopenhagen nach Brandanschlag |
Bei allem anderen, was ihr so tut und sagt, unterläuft euch meiner Meinung nach ein (folgen)schwerer Fehler. Am besten kommt dieser in dem SLogan zum Ausdruck, mit dem ihr die Selbstdarstellung auf eurer Internetseite beendet: "Krieg dem Krieg".
Das paradoxe an dieser Forderung ist natürlich gewollt. Sie schafft Aufmerksamkeit und macht einen kurzen, griffigen Slogan damit markant. Leider wird sie aber in der gesamten Selbstdarstellung nicht aufgelöst. "Krieg gegen Krieg" wird nicht durch den Kontext des vorangegangenen Textes zu so etwas wie "gewaltfreier Kampf gegen Krieg" oder "Sabotage gegen Krieg". Es bleibt dabei: Gewalt soll Gewalt bekämpfen. Wie stellen Sie sich das vor? Sicher, an ein paar Farbbeutelwürfen stirbt keiner. Wenn allerdings Molotowcocktails fliegen wie beispielsweise am 19.03. auf die türkische Botschaft in Kopenhagen und einen Tag früher auf den Laden eines AKP-Freundes in Sulaymaniyah im Irak, dann ist eine Grenze überschritten, die Menschen, die "diesen Krieg jetzt stoppen" wollen, nicht überschreiten dürfen. Auf Ihrer Website sind eine ganze Reihe von Berichten über solche Vorfälle verlinkt und es wird eindringlich zu militanten Aktionen aufgerufen.
Ich will nichts sagen gegen alles, was Gewalt gegen Menschen ausschließt. Gewaltfreie Aktionen gegen die stillschweigende Billigung der türkischen Angriffe durch unsere Regierung kann ich voll unterstützen. Sobald es aber darum geht, Menschen zu verletzen oder zu bedrohen, will ich hier aufs Schärfste widersprechen.
Wer Gewalt ausübt verhindert keine Gewalt. Er mehrt sie nur. Ich weiß nicht, ob irgendjemand von Ihnen tatsächlich annimmt, brennende Botschaften und verängstigte, vielleicht traumatisierte Botschaftsmitarbeiter*innen könnten den Kurs der Regierungen und letztlich Erdoğans ändern. Ich kann Ihnen jedoch aus vollster Überzeugung versichern: Das werden sie nicht. Auf Gewalt wird mit neuer Gewalt reagiert werden. Positionen, die unter Androhung von Gewalttaten zu erzwingen versucht werden, werden bei denen, die sich als die Stärkeren fühlen, weil sie Teil des Staatsapparats sind, nur Trotzreaktionen hervorrufen, und die Weigerung, sich mit den Anliegen der Bevölkerung zu beschäftigen. Das Einzige, was unsere Politiker*innen zum Umdenken bewegen könnte, wäre die Angst, nicht wiedergewählt zu werden.
Ihr Aufruf, so lese ich ihn zumindest, ist ein Zeugnis der Wut und der Hilflosigkeit. Sie wollen den Menschen in Afrin helfen, wissen aber nicht, wie sie das anstellen sollen. Also wählen Sie eine Aktionsform, die Ihnen erlaubt, Ihre Wut auf die herauszulassen, die etwas ändern könnten, es aber nicht tun, und legen sich die ganze Sache obendrein gedanklich so zurecht, dass es aussieht, als könnten Sie damit Ihre Ziele erreichen. Leider führen Sie damit den Grundgedanken des Friedens komplett ad absurdum. Wirklicher Frieden kann nur durch friedliche Mittel erzwungen werden. Wer versucht, Frieden durch Krieg zu schaffen, erliegt dem selben Irrtum, wie alle Staaten, die immer noch glauben, einen bewaffneten Konflikt in einerm anderen Land durch eine bewaffnete Intervention lösen zu können, obwohl alle Beispiele der letzten Jahrzehnte zeigen, dass dabei alles mögliche herauskommen kann, nur kein Frieden.
Dabei könnten Sie Ihre Energie sehr gut auf andere Projekte konzentrieren. friedliche Demonstrationen sind nur ein Beispiel. Die Möglichkeiten des zivilen Ungehorsams sind mannigfach und haben den Vorteil, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung eher die Prinzipientreue der Friedensaktivist*innen herausstreichen und damit der Popularität ihrer Prinzipien Auftrieb geben, statt sie zu unterminieren, wie es die Gewaltanwendung zur Beendigung von Gewalt zwangsläufig tut. Sabotageakte, die keinen Mernschen persönlich bedrohen, sondern lediglich das Funktionieren der Mechanismen der Rüstungsindustrie stören, können unter Umständen sogar tatsächlich einen gewissen Aufschub von Rüstungsvorhaben bewirken und somit vielleicht das eine oder andere Leben retten. Ein weiterer Effekt dieser Aktionen: Sie schaffen Öffentlichkeit und stellen die Anliegen der Aktivist*innen in einem überwiegend positiven Licht dar. So lassen sich für die nächsten Aktionen im Idealfall noch mehr Leute gewinnen - bis das Thema tatsächlich von genügend Menschen wichtig genommen wird, das es anfängt, die Wahlumfragen zu beeinflussen. Erst dann gibt es die Chance, die verantwortlichen Politiker*innen zu beeinflussen.
Ich gebe zu, dieser Weg ist lang, kompliziert und ein Erfolg ist alles andere als sicher. Er ist meines Erachtens allerdings immer noch erfolgversprechender als der "Krieg gegen den Krieg" und bietet nebenbei den Vorteil, seine eigenen Ideale nicht verraten zu müssen. Überlegen Sie sich doch mal, ob es nicht vielleicht auch ein Weg für Sie wäre. Ich bitte Sie inständig darum.
Mit freundlichen Grüßen
HG
Der Hintergrund:
taz.de: Feuer und Steinefight4afrin.noblogs.de: Jetzt oder nie - Widerstand ist Leben