Freitag, 2. März 2018

Sehr geehrte Herren Schmidt und Altmaier,

Sie haben offensichtlich einen Fehler gemacht. Vielleicht ist es Ihnen nicht gelungen, Ihre Vorschläge in den eigenen Reihen gut zu kommunizieren, vielleicht haben Sie auch in der Öffentlichkeit ein unzutreffendes Bild davon entstehen lassen, was Sie eigentlich bezwecken. Unstrittig ist jedoch, dass das, was von Ihrem - gemeinsam mit Umweltministerin Hendricks verfassten - Brief an die EU zu lesen war, den Eindruck vermittelte, die Regierungsparteien seien Willens, die Vision eines kostenlosen öffentlichen Personennahverkehrs ernsthaft zu verfolgen. Die gestrige Bundestagsdebatte über einen Antrag der Grünen, der nichts weiter forderte, als dass die in Ihrem Brief gemachten Vorschläge auch umgesetzt werden, zeigte hingegen eine sehr ablehnende Haltung der Unionsparteien. Haben Sie nicht mit Ihren Parteifreunden geredet, bevor Sie besagten Brief geschrieben haben? Ist die Position Ihrer Abgeordneten zu diesem Thema so schwer einzuschätzen?

Dass zur Schaffung eines kostenlosen ÖPNV nicht funktioniert, in dem man einfach beschließt, den Nahverkehrsunternehmen den Ticketverkauf zu untersagen, ist klar. Letztlich ist ein kostenloser ÖPNV immer ein Umverteilungsprojekt, weil er sich wahrscheinlich zumindest zu einem großen Teil aus Steuermitteln finanzieren muss. Daraus lässt sich aber schließen, dass das Argument "nicht finanzierbar" schlicht nicht zutrifft. Die Frage ist nicht, ob man dieses Projekt finanzieren kann, sondern ob es gesellschaftlich erwünscht ist, es zu finanzieren. Um das herauszufinden muss man das Thema aber erst mal diskutieren, Konzepte erarbeiten und herausfinden, welche Finanzierungsmöglichkeiten es gäbe und in wie hohem Maße diese die Steuerzahler*innen belasten würden. Diese Informationen ermöglichen einen sinnvollen öffentlichen Diskurs und erst wenn dieser geführt wurde sollte eine Entscheidung darüber gefällt werden, ob wir als Gesellschaft die Mittel für dieses große Projekt aufbringen wollen, oder nicht. Ihre Parteien versuchen, diese Zwischenschritte zu überspringen, die sinnvolle gesellschaftliche Debatte über dieses Thema zu verhindern und drängen auf eine Viel-zu-teuer-Bauchgefühl-Entscheidung. Das bringt uns weder bei überschrittenen Schadstoffgrenzwerten noch in der Diskussion über gesellschaftliche Teilhabe und Umverteilung weiter und verschenkt damit ein riesiges Potential, das diesem Themankomplex innewohnt.

Nun könnte man fragen, warum ich ausgerechnet Sie damit belästige? Sie haben es mit Ihrem Brief doch wenigstens versucht!
Der Grund ist einfach: Sie haben die Sache verbockt. Dass derartige Vorschläge offenbar an die EU übersandt werden, ohne vorher Rücksprache mit den eigenen Parteien gehalten zu haben, lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass es nie Ihre Absicht war, wirkungsvolle Maßnahmen gegen die hohe NOx- und Feinstaubbelastung deutscher Innenstädte zu ergreifen. Sie wollten nur einer drohenden Klage der EU gegen Deutschland wegen der hohen Stickoxidbelastung vorbeugen, ohne zu erwarten, dass die Vorschläge jemals umgesetzt werden können. Was Ihre Parteien konkret gegen die gesundheitsschädlichen Abgase tun wollen, bleibt weiter ein Geheimnis. Somit ist die Haltung, eine Debatte über dieses wichtige Thema verhindern zu wollen, im Grunde auch ein Debattenbeitrag: CDU und CSU bekennen sich dazu, dass ihnen die Menschen, die wegen der hohen Stickoxidkonzentrationen in manchen Städten erkranken, vollkommen egal sind. Eine Haltung, die Sie und Ihre Parteien dringend überdenken sollten.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

Bundestag.de: Pro und Contra kostenloser öffentlicher Personennahverkehr
taz.de: Verfahrene Situation im Parlament

Bildquellen:

http://www.christian-schmidt.de/downloads/pressefotos/MdB-Christian-Schmidt.jpg
https://peteraltmaier.de/wp-content/uploads/2017/08/person1.jpg

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen