Donnerstag, 31. August 2017

Sehr geehrter Herr de Maizière,

über den G-20-Gipfel in Hamburg ist nun eigentlich genug geschrieben worden. Alle Beteiligten wurden großzügigst mit Kritik (gerechtfertigter wie ungerechtfertigter) bedacht und das ganze Thema so gründlich durchgekaut, dass es inzwischen für mehr Augenrollen als echte Empörung sorgt.
Auch die Affäre um die mittendrin entzogenen Akkreditierungen einiger Pressevertreter schien erfolgreich ausgesessen zu sein.

Schien, denn dann erfrechte sich die ARD tatsächlich, einen Beitrag zu veröffentlichen, in dem einer der betroffenen Journalisten, der jetzt endlich die Gründe für den Entzug seiner Akkreditierung kennt, über besagte Gründe informiert.
Das Bundeskriminalamt habe ihm mitgeteilt, es habe 18 Einträge über ihn gespeichert. Außer einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz von 2003, der dem Journalisten eine Geldstrafe von 320 Euro einbrachte - offensichtlich kein Kapitalverbrechen - beinhaltete kein einziger der Einträge ein Gerichtsurteil. So wurde beispielsweise festgehalten, er habe "eine Sprengstoffexplosion herbeigeführt", weil auf einer Demo, von der er berichtete, ein Böller explodiert war - allerdings gänzlich ohne seine Beteiligung. Es gab also keine Anklage - der Eintrag steht aber auf der Liste.

Das eigentlich fatale: Er steht dort immer noch. Ob nun jemand verurteilt wird oder nicht, ob überhaupt Anklage erhoben wird, ob es auch nur den geringsten Hinweis auf eine Schuld gibt: Die Einträge bleiben bestehen, werden von der Polizei abgespeichert und offenbar zu beliebigen Anlässen wieder hervorgesucht. Kein Mensch weiß, welche Daten über ihn gespeichert werden und wenn bei einem Großereignis wie dem G-20-Gipfel Leuten die Zugangsgenehmigungen für bestimmte Bereiche mit dem unspezifischen Hinweis auf eine besondere Gefährdungslage entzogen werden, kann auch niemand schnell genug überprüfen, ob diese Gefährdungslage tatsächlich besteht, bzw. ob sie speziell bei diesem Menschen besteht. Hier wurde also die Pressefreiheit massiv eingeschränkt und nun stellt sich heraus, dass der Begründung dafür jede Relevanz fehlt.

Die Frage an Sie, Herr Innenminister (denn das BKA ist ja eine Ihrem Ministerium nachgeordnete Behörde), ist erstens, ob es wirklich nötig ist, Daten über unbewiesene oder Widerlegte Gesetz- und Ordnungswidrigkeiten so lange zu speichern? Wenn jeder fehlgeleitete Verdacht der Polizei schon dazu führt, dass die betreffende Person noch Jahrzehnte später als gefährlich eingestuft wird, läuft doch eindeutig etwas falsch. Welchen guten Grund gibt es denn, diese Daten zu speichern?
Zweitens müssen Sie sich fragen, wie die Bundeskriminalbeamten mit diesen Daten überhaupt umgehen. Inwiefern lässt sich aus den oben geschilderten Einträgen herauslesen, dass der betreffende Journalist eine Gefährdung für andere darstellen könnte? Oder haben die Beamten die Einträge gar nicht gelesen, sondern nur gesehen, dass es überhaupt Einträge zu diesem Menschen gibt, und ihn deshalb auf die schwarze Liste gesetzt? Auch das wäre ein Skandal, denn wie leicht ein Unschuldiger, ja selbst ein komplett desinteressierter und apolitischer Mensch zu eigenem Speicherplatz in den Systemen des BKA kommen kann, haben wir ja gesehen.

Herr de Maizière, hier sind Sie gefragt. Sie als Bundesinnenminister sind verpflichtet, solchen Missständen in einer Ihrer Behörden nachzugehen und sie zu beseitigen. In diesem Fall heißt das: Beenden Sie das stupide sammeln polizeilich irrelevanter Daten durch die Sicherheitsbehörden dieses Landes und sorgen Sie dafür, dass mit den Daten, die dennoch erhoben werden müssen, verantwortungsvoll umgegangen wird.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:
FAZ.net: SCharfe Kritik an "Schwarzer Liste"
Spiegel online: G-20-Affäre offenbart Datenchaos beim BKA

 Bildquelle:
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Biographien/Bilder/sts_steffen_seibert.jpg?__blob=poster&v=3

Mittwoch, 23. August 2017

Sehr geehrter Herr Maas,

zunächst einmal: Bravo. Ihr Vorschlag, die Zusammenarbeit der Polizei der EU-Länder mit der türkischen Polizei zu überprüfen, ist vollkommen richtig und wichtig. Vor allem muss sichergestellt werden, dass die politische Verfolgung von Kritikern der Regierung Erdoğan nicht in der EU und schon gar nicht mit Hilfe unserer Polizei erfolgen kann. Gerade der Fall Akhanli zeigt deutlich, dass hier noch nicht überall der Situation in der Türkei Rechnung getragen wird. Fahndungsersuchen aus der Türkei müssen einer besonderen Prüfung unterzogen werden, solange Erdoğan politische Gegner mit willkürlichen Begründungen wegsperrt.

Doch genug des Lobes, kommen wir zur Kritik. Ihr Vorschlag - so richtig er auch ist - hätte schon viel früher kommen müssen. Der autokratische Führungsstil Erdoğans ist nicht erst seit gestern bekannt und seine Vorliebe, jedes kritische Element so schnell wie möglich mit den fadenscheinigsten Begründungen hinter Gitter zu bringen, auch nicht. Ich kann gut verstehen, dass Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei umstritten sind. Schließlich hängen die Jobs und damit das Leben vieler unschuldiger Menschen in der Türkei an den Wirtschaftsbeziehungen zu anderen Ländern. Will man diese Leute für die Fehler ihres Alleinherrschers strafen?
Mit der Polizeizusammenarbeit verhält es sich jedoch anders. Hier verlieren nicht automatisch massenhaft Menschen ihre Jobs, sondern Erdoğan wird einfach nur eine Möglichkeit genommen, Kritiker im Ausland zu verfolgen.

Weiter müsste man eigentlich überlegen, welche ähnlichen Maßnahmen noch zu ergreifen wären. In welcher Form unterstützen wir die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei (und in anderen Ländern)? Mir fallen da spontan Waffenexporte ein, die so ein Diktator ja gut gebrauchen kann, um die Opposition kleinzuhalten. Sicher, das fällt nicht unbedingt in Ihren Bereich als Justizminister, aber wenn Sie als Mitglied der Bundesregierung schon mal dabei sind, sich über das Thema Gedanken zu machen, können Sie ja gleich ein bisschen weiter denken und den Kollegen mal ein paar Vorschläge machen, oder? Mich würde es freuen.

Mit freundlichen Grüßen

HG


Der Hintergrund:

Welt.de: Maas stellt Polizei-Zusammenarbeit mit der Türkei in Frage
Zeit online: Maas für Überprüfung der Polizei-Zusammenarbeit mit der Türkei


Bildquelle:

https://heiko-maas.spd.de/fileadmin/kandidaten/heiko-maas/SPD_maas_heiko_btw17_pressebild.jpg

Donnerstag, 17. August 2017

Sehr geehrter Herr Schröder,

Martin Schulz hat schon Recht, im Grunde ist es Ihre Sache, welchen Job Sie annehmen. Der Satz "Gerd Schröder ist erfahren genug, zu wissen, welche Angebote er annimmt" klingt zwar ein bisschen nach einem einem Zehnjährigen gutmütig zugeonkelten "Du bist doch schon ein großer Junge", stimmt aber doch insofern, als ein Mann, der acht Jahre lang deutscher Bundeskanzler war, genügend Gelegenheiten gehabt haben sollte, herauszufinden, welche Bedeutung den Beziehungen ehemaliger oder aktueller Spitzenpolitiker mit den Belangen autokratischer Regimes beigemessen wird. Ihre Freundschaft mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin ist ja schon seit längerer Zeit Gegenstand zahlreicher kritischer Bemerkungen in verschiedenen Medien. Dass Sie diesen Mann, der die Geschicke Russlands aktuell im Grunde allein bestimmt, Oppositionelle aus dem Verkehr ziehen lässt und die Medien kontrolliert, einmal als "lupenreinen Demokraten" bezeichnet haben, spricht ja schon für sich. Wenn Sie nun aber einen Vorstandsposten im russischen Staatskonzern Rosneft annehmen, setzen Sie dem ganzen die Krone auf. Noch vor Kurzem haben Sie sich von SPD-Genossen für Ihre Wahlkampfrede auf dem Parteitag bejubeln lassen. Und wenige Monate später wollen Sie eine Stelle von Putins Gnaden antreten? Wollen Ihre Beziehungen in den Dienst eines lupenreinen Autokraten stellen?

Zu Ihrer Verteidigung haben Sie vorgebracht, der Skandal sei ein einziger Wahlkampfgag der Union, hier solle "offenbar Frau Merkel geholfen werden". Dabei kann man denen ausnahmsweise wirklich keinen Vorwurf machen. Haben Sie wirklich angenommen, dass die CDU/CSU eine derartige Steilvorlage nicht nutzen würden? Wenn da jetzt mitunter etwas überdramatisiert wird: Nicht schön, aber damit ist im Wahlkampf zu rechnen. Die Kritik selbst bleibt aber berechtigt. Nicht, weil wir uns aus lauter USA-Hörigkeit der Russlandkritik verpflichtet fühlten, sondern einfach, weil ein Antidemokrat wie Putin kritisiert gehört. Sie aber unterstützen ihn. Im Grunde sind Sie es, der Merkel hilft, indem er solche Neuigkeiten produziert.

Natürlich kann man auch einwenden, dass Ihre Russlandverbindungen eigentlich nicht den Neuigkeitswert haben, der ihnen gerade zugeschanzt wird. Schließlich arbeiten Sie schon seit dem Ende Ihrer Kanzlerschaft für eine Tochtergesellschaft der russischen Gazprom, die ebenfalls mehrheitlich dem Staat gehört. Der Wechsel zu Rosneft kommt allerdings mitten im Wahlkampf zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Ihr Parteigenosse Martin Schulz kann sich schlechte Presse im Moment überhaupt nicht leisten, schließlich sind seine Umfrageergebnisse schlecht genug. Ob seine Versicherung, er selbst werde nach einer Kanzlerschaft keinen Job in der Privatwirtschaft annehmen, jedoch reicht, um Schaden von der Partei abzuhalten? Sie, Herr Schröder, behaupten, Schulz' Wahlkampf zu unterstützen. Mit Aktionen wie dieser torpedieren Sie ihn.

Überlegen Sie also bitte noch einmal, was Ihnen der Wahlkampf Ihrer Partei wert ist. Denken Sie aber auch genau darüber nach, was Ihnen demokratische Grundsätze bedeuten und ob der "lupenreine Demokrat" inzwischen nicht auch aus Ihrer Perspektive ein paar Kratzer hat. Nicht nur die wahlkämpfenden Sozialdemokraten, die sich gerade über Ihr Verhalten die Haare raufen, werden es Ihnen danken.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

Spiegel online: Schröder sieht durch Rosneft-Posten keinen Schaden für SPD
Zeit online: Martin Schulz zu Gerhard Schröder: "Ich würde das nicht tun"

Bildquelle:

http://gerhard-schroeder.de/wp-content/uploads/170625_ISPD_PHT22.jpg

Freitag, 11. August 2017

Sehr geehrter Herr Trump,

"Feuer und Zorn, wie sie die Welt noch nie gesehen hat" haben Sie dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un im Falle weiterer Drohungen gegen die USA versprochen. In einem improvidierten Statement aus dem Urlaub haben Sie mal eben dem großmäuligsten Alleinherrscher gedroht, der aktuell mit Atombomben protzen kann. Und nicht nur gedroht, wie andere Politiker das machen: Wirtschaftssanktionen, Ordnungsrufe, nein, bei einem Präsidenten Trump gibt es keie halben Sachen. Da wird gleich der nukleare Erstschlag ausgepackt.

Wenn Sie nicht einfach nur komplett verrückt sind und den Atomkrieg wollen, dann kann ich nur annehmen, dass Sie versuchen, Kim mit Ihren Maximaldrohungen abzuschrecken. Es kratzt an Ihrem Ego, dass ein kleines Land irgendwo in Nicht-Trumpistan dem selbsternannten erfolgreichsten EPaZ (Erfolgreichster Präsident aller Zeiten) mit Interkontinentalraketen und nuklearen Sprengköpfen drohen kann, ohne dass irgendwas passiert. Verständlich. Und es ist ja auch wahr, dass all die Ermahnungen und Blockaden bislang reichlich wenig gebracht haben. Der Kim'sche Führerstaat hat einfach weiter an seinen Waffen gewerkelt und dem Rest der Welt mit der Vernichtung gedroht. Es stimmt aber auch, dass die vielen amerikanischen Militärmanöver mit den südkoreanischen Streitkräften genausowenig gebracht haben. Alle Drohgebärden der Vergangenheit waren erfolglos. Kim weiß längst um die Macht der USA - er hat sie einfach so lange ignoriert, bis er mit der Entwicklung der Atombombe auf einmal das Mittel in der Hand hatte, die perfekte Geisel zu nehmen: Alle, die sich in seiner Reichweite befinden. Diese Reichweite wird mit der Entwicklung neuer Raketen immer weiter ausgebaut. Der Zeitpunkt, an dem Nordkorea imstande ist, Atomsprengköpfe per Rakete bis in die USA zu schießen, steht unmittelbar bevor. Spätestens ab diesem Moment ist das Land militärisch schlicht nicht mehr angreifbar. Schon jetzt ist es eigentlich unmöglich - die wenigsten würden bezweifeln, dass Kim im Falle einer drohenden Niederlage sein nukleares Arsenal einfach auf alle Punkte abfeuert, die er erreichen kann. Wer wollte das riskieren?

Ihre Drohung, Herr Trump, ist aus noch einem Grund ausgesprochen dumm. Es handelt sich dabei um eine ganz grundsätzliche Regel beim Einsatz jeglicher Drohgebärde: Es darf nicht der geringste Zweifel herrschen, dass der Drohende fest entschlossen ist, die Drohung auch wahrzumachen. Niemals darf man sich verleiten lassen, aus purem Zorn eine Maximaldrohung auszusprechen, von der keiner glaubt, dass Sie sie auch umsetzen (Sehen Sie sich mal Folge 1 der achten Staffel der britischen Serie Doctor Who an - Sie werden wissen, was ich meine).
Sie arbeiten zwar schon seit längerer Zeit daran, alle Menschen von Ihrer Unberechenbarkeit zu überzeugen, einen nuklearen Erstschlag gegen Nordkorea traut Ihnen aber dann doch keiner zu. Nicht, dass irgendjemand davon ausginge, dass Ihnen das damit verbundene menschliche Leid naheginge - schließlich trifft eine Atombombe nicht nur den unerwünschten Diktator, sondern im Wesentlichen einfach alle, die sich in der Gegend aufhalten und macht außerdem das Leben in weitem Umkreis auf lange Zeit unmöglich. Nein, das würde Sie vielleicht nicht weiter kümmern. Eine Atommacht aber mit nuklearen Waffen anzugreifen heißt immer, sich selbst nuklearen Angriffen auszusetzen. Was immer Sie von den Menschen in Nordkorea und den USA halten, Sie sind sich selbst zu wichtig, um soetwas zu riskieren. Damit bleibt Ihre Drohung leer und Kim droht unbeirrt zurück, legt sogar konkrete Pläne vor, wie die US-Militärbasis auf der Pazifikinsel Guam anzugreifen sei.
Was haben Sie erreicht, Herr Trump? Und wie machen Sie jetzt weiter? Mit ebenso konkreten Plänen für einen Angriff auf Nordkorea? Mobilmachung der Streitkräfte? Auf all das wird Kim mit ähnlichen Maßnahmen reagieren, ebenso wie Sie in der Gewissheit, dass diesen Krieg eigentlich keiner will. Dass es also eigentlich nur um einen transpazifischen Schwanzvergleich zweier Oberbefehlshaber geht, bei dem irgendwann einer klein beigeben wird. Wenn aber nicht? Dann ist er irgendwann da, der Krieg, den keiner gewollt hat. Dann heizen beide Seiten die Situation so lange immer weiter auf, bis irgendeine Provokation dazu führt, dass einem von beiden der Kragen platzt. Wenn das passiert, geht es aber leider nicht nur die beiden Streithähne etwas an. Nicht mal nur die beiden Nationen, die von ihnen regiert werden, was schlimm genug währe. Nein, dann hat die ganze Welt ein Problem, nämlich den ersten von beiden Seiten mit Atomwaffen geführten Krieg. Auch, wenn ihn eigentlich keiner wollte.

Mein Vorschlag an Sie: Treffen Sie sich mit Kim. Reden Sie mit ihm. Oder veranstalten Sie meinetwegen einen Faustkampf. Nur Sie beide. Oder einen richtigen Schwanzvergleich, ist mir vollkommen egal. Nur lassen Sie den Rest der Welt nicht die Zeche für Ihr verletztes Ego zahlen. Denn weder in Rüstungsfragen noch in Sachen Menschenrechte und Demokratie wird sich die Regierung Kim durch Drohungen beeinflussen lassen. Dazu ist schon allein Kims Ego zu groß. Ein bisschen, wie das Ihre.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund

FAZ.net: Trump: Amerikanische Atomwaffen stärker als je zuvor
Welt.de: Die Methodik des Wahnsinns

Bildquelle:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/56/Donald_Trump_official_portrait.jpg

Freitag, 4. August 2017

Sehr geehrter Herr Dobrindt,

Sie haben es mal wieder bewiesen: Sowohl Klima- als auch Verbaucherschutz gehen Ihnen vollständig am Auspuff vorbei. Der kürzliche "Dieselgipfel" sollte eine Lösung der Abgaskrise erarbeiten, jener Affäre also, die inzwischen nicht mehr nur den Betrug der deutschen Autokonzerne bei den offiziellen Emmisionsmessungen umfasst, sondern auch die Bildung eines Kartells, in dem sie sich bei dieser Frage (und bei einigen anderen) miteinander abgesprochen haben - zum Nachteil des Verbrauchers, der sich, welche Marke er auch bevorzugt, ein minderwertiges, dreckiges Auto hat andrehen lassen. Was bei dem Gipfel herausgekommen ist ist genau das, was sich die Autokonzerne gewünscht haben: Die am wenigsten wirkungsvolle, aber dafür billigste Variante. Was soll bei einem solchen Gipfel auch herauskommen, wenn alle Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen konsequent ausgesperrt werden? Gut, auch die beteiligten Politiker hätten die Aufgabe gehabt, Verbaucherinteressen und Umweltschutz zu vertreten, so als gewählte Vertreter des Normalverbrauchers, aber spätestens mit dem Ergebnis wird klar: Die NGOs haben gefehlt, die (hier beteiligten) Politiker nehmen es mit den Belangen der Normalsterblichen offenbar nicht so genau.

Jetzt soll der Ausstoß der Fahrzeuge also per Softwareupdate reduziert werden, das die Besitzer kostenlos installieren lassen können. Bestraft werden die Konzerne für ihren Betrug hierzulande offenbar nicht. Es scheint auch gar nicht mehr die Rede davon zu sein, die Autos so umzurüsten, dass sie die gesetzlichen Grenzwerte einhalten - dafür wären nämlich Hardwareveränderungen am Motor nötig. Selbst die optimistischsten Schätzungen gehen davon aus, dass Softwareupdates den Mehrausstoß vieler der betroffenen Wagen nicht kompensieren können. Auch nach dem Update sind die Autos also streng genommen nicht zulassungsfähig. Fahren dürfen sie dann offenbar trotzdem. Wozu haben wir eigentlich die Grenzwerte?

Um die geforderten Werte einzuhalten müsste bei allen Autos, die dies noch nicht haben - das sind die Meisten - ein SCR-Katalysator eingebaut werden. Nur bei Fahrzeugen mit dieser Technologie hat das geplante Softwareupdate nämlich einen nennenswerten Effekt. Außerdem müssten größere Tanks für Harnstoff eingebaut werden, damit die Flüssigkeit, die zur Abgasreinigung benötigt wird, nicht alle paar Kilometer nachgetankt werden muss. Pro Auto schlüge das mit etwa 1500 Euro zubuche. Ganz klar also, dass die Autokonzerne lieber nur das Softwareupdate für etwa 150 Euro pro Auto machen wollen. Die Frage ist, ob ein Verkehrsminister - von Bürgern in den Bundestag gewählt, nicht von Konzernen - nicht vielleicht doch mehr die Interessen der einzelnen Bürger im Fokus haben sollte, als die der Vorstände von VW, BMW und Daimler? Schließlich wird die Gesundheit aller Deutschen beeinträchtigt, ganz zu Schweigen davon, dass Menschen extra mehr Geld investiert haben, um einen "sauberen" Diesel mit Euro-5- oder Euro-6-Abgasnorm zu bekommen. Diese Menschen haben jetzt immer noch nicht, wofür sie eigentlich bezahlt haben, stehen in Städten wie Stuttgart stattdessen im Smog, aber Sie halten es für angebracht, den Dieselgipfel als Erfolg zu bezeichnen? Selbst das Softwareupdate wurde nicht für alle betroffenen, sondern nur für 5,3 Millionen Fahrzeuge zugesagt. Außerdem waren diese Umrüstungen zum großen Teil schon fest vereinbart. Die Konzerne verpflichten sich also zu so gut wie keinen neuen Maßnahmen, aber Sie, Herr Dobrindt, tun so, als wären die Probleme jetzt gelöst. Nichts ist gelöst! Solange Sie - wie man Ihren Wortmeldungen entnehmen muss - "Fahrverbote vermeiden" als wichtigstes Ziel in der Dieselkrise ansehen - also als wichtiger als Umweltschutz und Gesundheit der Bürger - drängt sich das Gefühl auf, dass Sie nicht Ihre Arbeit als Minister erfüllen, sondern auf einen Sitz im Vorstand eines der Autokonzerne schielen. Dann haben wir gleich zwei Probleme: Betrügerische Autokonzerne und einen pflichtvergessenen, opportunistischen Minister. Man weiß nicht, was schlimmer ist.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:
RBB online: Müller teilt nach "Dieselgipfel" gegen Dobrindt aus
t-online: Dobrindt zufrieden, Umwelthilfe klagt weiter

Bildquelle:
http://www.alexander-dobrindt.de/fileadmin/user_upload/images/alexander-dobrindt-2014.jpg