Donnerstag, 17. August 2017

Sehr geehrter Herr Schröder,

Martin Schulz hat schon Recht, im Grunde ist es Ihre Sache, welchen Job Sie annehmen. Der Satz "Gerd Schröder ist erfahren genug, zu wissen, welche Angebote er annimmt" klingt zwar ein bisschen nach einem einem Zehnjährigen gutmütig zugeonkelten "Du bist doch schon ein großer Junge", stimmt aber doch insofern, als ein Mann, der acht Jahre lang deutscher Bundeskanzler war, genügend Gelegenheiten gehabt haben sollte, herauszufinden, welche Bedeutung den Beziehungen ehemaliger oder aktueller Spitzenpolitiker mit den Belangen autokratischer Regimes beigemessen wird. Ihre Freundschaft mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin ist ja schon seit längerer Zeit Gegenstand zahlreicher kritischer Bemerkungen in verschiedenen Medien. Dass Sie diesen Mann, der die Geschicke Russlands aktuell im Grunde allein bestimmt, Oppositionelle aus dem Verkehr ziehen lässt und die Medien kontrolliert, einmal als "lupenreinen Demokraten" bezeichnet haben, spricht ja schon für sich. Wenn Sie nun aber einen Vorstandsposten im russischen Staatskonzern Rosneft annehmen, setzen Sie dem ganzen die Krone auf. Noch vor Kurzem haben Sie sich von SPD-Genossen für Ihre Wahlkampfrede auf dem Parteitag bejubeln lassen. Und wenige Monate später wollen Sie eine Stelle von Putins Gnaden antreten? Wollen Ihre Beziehungen in den Dienst eines lupenreinen Autokraten stellen?

Zu Ihrer Verteidigung haben Sie vorgebracht, der Skandal sei ein einziger Wahlkampfgag der Union, hier solle "offenbar Frau Merkel geholfen werden". Dabei kann man denen ausnahmsweise wirklich keinen Vorwurf machen. Haben Sie wirklich angenommen, dass die CDU/CSU eine derartige Steilvorlage nicht nutzen würden? Wenn da jetzt mitunter etwas überdramatisiert wird: Nicht schön, aber damit ist im Wahlkampf zu rechnen. Die Kritik selbst bleibt aber berechtigt. Nicht, weil wir uns aus lauter USA-Hörigkeit der Russlandkritik verpflichtet fühlten, sondern einfach, weil ein Antidemokrat wie Putin kritisiert gehört. Sie aber unterstützen ihn. Im Grunde sind Sie es, der Merkel hilft, indem er solche Neuigkeiten produziert.

Natürlich kann man auch einwenden, dass Ihre Russlandverbindungen eigentlich nicht den Neuigkeitswert haben, der ihnen gerade zugeschanzt wird. Schließlich arbeiten Sie schon seit dem Ende Ihrer Kanzlerschaft für eine Tochtergesellschaft der russischen Gazprom, die ebenfalls mehrheitlich dem Staat gehört. Der Wechsel zu Rosneft kommt allerdings mitten im Wahlkampf zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Ihr Parteigenosse Martin Schulz kann sich schlechte Presse im Moment überhaupt nicht leisten, schließlich sind seine Umfrageergebnisse schlecht genug. Ob seine Versicherung, er selbst werde nach einer Kanzlerschaft keinen Job in der Privatwirtschaft annehmen, jedoch reicht, um Schaden von der Partei abzuhalten? Sie, Herr Schröder, behaupten, Schulz' Wahlkampf zu unterstützen. Mit Aktionen wie dieser torpedieren Sie ihn.

Überlegen Sie also bitte noch einmal, was Ihnen der Wahlkampf Ihrer Partei wert ist. Denken Sie aber auch genau darüber nach, was Ihnen demokratische Grundsätze bedeuten und ob der "lupenreine Demokrat" inzwischen nicht auch aus Ihrer Perspektive ein paar Kratzer hat. Nicht nur die wahlkämpfenden Sozialdemokraten, die sich gerade über Ihr Verhalten die Haare raufen, werden es Ihnen danken.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

Spiegel online: Schröder sieht durch Rosneft-Posten keinen Schaden für SPD
Zeit online: Martin Schulz zu Gerhard Schröder: "Ich würde das nicht tun"

Bildquelle:

http://gerhard-schroeder.de/wp-content/uploads/170625_ISPD_PHT22.jpg

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