Freitag, 24. Februar 2017

Sehr geehrter Herr Leonhardt,

Ihre Äußerungen zur Abschiebung der Familie Zejneli und der Petition "Luan soll bleiben" haben mich bestürzt. Nicht, dass ich es nicht gewohnt wäre, aus den Reihen der CDU Aussagen in reinster Law-and-Order-Manier ohne irgendwelche menschlichen Überlegungen zu hören. Ich bin nur immer wieder geschockt, wenn ich sehe, dass schon Menschen in Ihrem Alter zu solchen Aussagen fähig sind. Ich selbst bin auch noch nicht im besten "Politikeralter" und habe immer das Gefühl, Menschen in meinem Alter seien da etwas menschenfreundlicher. Dass das offensichtlich nur daran liegt, dass ich in meinem Alltag eher wenig mit Nachwuchs-CDUlern zu tun habe muss ich immer wieder neu lernen.

Das schlimme an Ihrer Aussage ist meines Erachtens, dass sie so einleuchtend ist. Sie argumentieren mit der Logik der Gesetzestexte und wenn man der Unfehlbarkeit dieser Texte vertraut,  haben Sie auch absolut Recht. Die Frage ist nur, ob die "sorgfältige Abwägung" der Asylgründe, auf die Sie Bezug nehmen, wirklich alle Fluchtgründe abdeckt. Man kann natürlich behaupten, der Kosovo sei ein sicherer Drittsstaat (man ist sich international noch nicht einmal einig, ob er überhaupt ein Staat ist, oder?), nur weil gerade weniger Menschen erschossen werden, aber drohender Tod durch Krieg ist nicht die einzige nachvollziehbare Fluchtursache. Im Kosovo beispielsweise lebte laut einer Darstellung von Pro Asyl vor zwei Jahren - also etwa in der Zeit, in der Luans Familie geflohen ist - etwa ein Drittel der Bevölkerung von weniger als 1,40 € pro Tag. Warum sollte man Menschen, die von einem Tod durch Hunger bedroht sind, nicht aufnehmen? Oder solche, denen aufgrund ihrer Armut kein menschenwürdiges Leben möglich ist? Schließlich ist es doch unser Anspruch, uns als verhältnismäßig wohlhabendes Land für die Menschenrechte, allen voran die Würde des Menschen, einzusetzen, oder sehen Sie das anders?
Auch die Argumentation Ihres älteren Parteifreundes Buchmann, seit Anfang 2016 gebe es ja Erleichterungen der Arbeitsaufnahme und damit der legalen Einreise für Bürger von Balkanstaaten, die Luans Eltern hätten nutzen können, erscheint mir nicht ganz logisch. Schließlich ist die Familie Zejneli bereits seit 2 Jahren hier, die entsprechenden Regelungen gibt es aber erst seit einem Jahr. Wie hätten die Zejnelis die neuen Gesetze also nutzen können?
Sie selbst haben zudem behauptet, Luans Integration in Deutschland sei kein Grund, ihn bleiben zu lassen, da es hierzulande ja normal sei, zur Schule zu gehen und dort Freunde zu haben. Das ist es tatsächlich. Und wissen Sie was? Das ist der Sinn der Sache! Genau das ist die Integration, die auch von Vertretern Ihrer Partei immer wieder gefordert wurde: Menschen kommen nach Deutschland und verhalten sich da nach deutschen Maßstäben "ganz normal". Was verlangen Sie also von Luan Zejneli wenn nicht genau das?

Unabhängig vom rein rechtlichen Rahmen möchte ich jedoch auch noch etwas zu Ihrer Kritik an den Protesten Ihrer Mitschüler gegen die Abschiebung sagen. Sie wollen, dass sich die Klassenkameraden und Freunde von Luan damit abfinden, dass Luan und seine Familie abgeschoben werden. Mit anderen Worten: die Leute sollen sich aus der Politik heraushalten und gehorchen, wenn ihnen etwas gesagt wird.
Ich sehe das anders. Ist es nicht ein gutes Zeichen, wenn sich in Zeiten der allgemeinen Politikverdrossenheit ein paar junge Menschen hinter ein Anliegen stellen und ihre Meinung vertreten? Eine Petition ist ein legitimes Mittel politischer Meinungsäußerung und Einflussnahme. Hier artikuliert ein Teil der Bevölkerung seinen politischen Willen. Für (Jung-)Politiker wie Sie muss das doch ein Zeichen sein, eine Möglichkeit, herauszufinden, welche Themen die Menschen bewegen und wie diese Menschen regiert sein wollen. Letztlich ist eine Regierung (und damit auch eine Partei, die Regierungsverantwortung anstrebt) doch den Menschen verpflichtet, die sie regiert.
Oder wem sonst?

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

Facebook-Post der "Schüler Union Leipzig"
Petition "Luan soll bleiben"
PRO ASYL über Flucht aus dem Kosovo

Bildquelle:

https://m.facebook.com/su.leipzig/photos/a.405248012828051.101616.261059810580206/1451373208215521/?type=3

Mittwoch, 15. Februar 2017

Sehr geehrter Herr Flynn,

Bild: de.wikipedia.org/wiki/Michael_T._Flynn
in meinen Augen bestätigt sich gerade, was eigentlich von vornherein klar war, was aber im Wahlkampf offensichtlich viele nicht sehen wollten: dass Präsident Trumps Darstellung als Anti-Establishment-Kandidat nicht die Spur glaubhafter ist, als wenn Hillary Clinton dasselbe von sich behauptet hätte. Es wäre ja auch mehr als naiv gewesen, zu glauben, dass ein Multimilliardär, der bislang noch nie auch nur versucht hat, den Anschein zu erwecken, dass ihn die Sorgen weniger begüterter interessieren, ein Präsident der sozial und wirtschaftlich abgehängten sein könnte.
Das zeigte sich schon im Wahlkampf, sehr deutlich aber ist es auch an der Besetzung seines Kabinetts zu sehen. Zahlreiche Millionäre oder Milliardäre, Hardliner in sozialen Fragen, Unternehmer wie Trump selbst, bei denen fraglich bleibt, inwiefern die Interessen ihrer Unternehmen in ihr politisches Handeln einfließen könnte.
Sie selbst, Herr Flynn, brauchten sich bis jetzt kaum eindeutige Verfehlungen vorwerfen zu lassen. Ihre Kontakte zu Russland standen in der Kritik und auch einige Ihrer Äußerungen im Wahlkampf hörten sich schon stark nach der Hetze des neuen US-Präsidenten an, aber als Ex-Militär ohne politische Erfahrung gehörten Sie zumindest nicht zur politischen oder wirtschaftlichen Elite und waren dem durchschnittlichen US-Bürger dadurch vielleicht ein bisschen näher als die meisten anderen Kabinaettsmitglieder - wobei man noch fragen kann, ob ein ehemaliger 3-Sterne-General tatsächlich mehr von der Lage eines geschassten Fabrikarbeiters aus Detroit versteht als ein Senator oder Gouverneur.
Jetzt jedoch haben Sie sich tatsächlich etwas geleistet, was nicht nur gegen den Anstand, sondern gleich gegen von Ihnen selbst postulierte Grundsätze verstößt. Dass Sie dem russischen Botschafter Kilyak relativ unverholen zu Verstehen gaben, die Regierung Trump werde die von Barack Obama in seinen letzten Amtsmonaten verhängten Sanktionen gegen Russland schon wieder rückgängig machen - wohlgemerkt deutlich bevor Trump das Amt des Präsidenten offiziell übernahm - verstößt gegen US-Gesetze, berührt aber noch nicht in entscheidendem Maße Ihre persönliche Glaubwürdigkeit. Dass Sie aber, als Informationen über das Telefongespräch mit Kilyak öffentlich wurden, über Wochen hinweg leugneten, das Thema Sanktionen überhaupt angesprochen zu haben, nur um dann, als handfestere Beweise auftauchten, einen Rückzieher machten und auf Erinnerungslücken pochten, das sieht schon stark nach dem aus, was Sie und Trump den etablierten Politikern immer vorgeworfen haben. Den damaligen Präsidenten Obama im Wahlkampf öffentlich einen "Lügner" zu nennen, nur um weniger als vier Wochen nach der eigenen Amtseinführung als "Oberster Berater der Nationalen Sicherheit" wegen eigener Lügen zurücktreten zu müssen - das sieht geradezu rekordverdächtig falsch aus.
Sicher, keiner weiß, ob im weißen Haus nicht doch alle informiert waren und Sie sich jetzt nur für Ihren Chef opfern müssen. Selbst dann bleibt jedoch die Frage, was derartige Widersprüchlichkeiten über die Regierung aussagen, der Sie sich da angeschlossen hatten? So oder so, seien Sie froh, dass sie da raus sind und denken Sie das nächste Mal ehrlich über sich selbst nach, bevor Sie anderen Leuten Fehler vorwerfen, die sie selbst ohne Weiteres begehen.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-11/donald-trump-kabinett-regierung
http://www.taz.de/!5380830/


Freitag, 3. Februar 2017

Sehr geehrter Herr Fillon,

Bild: de.wikipedia.org/wiki/François_Fillon
da haben Sie sich mit Ihrer Kampagne ja ganz schön in die Nesseln gesetzt. Tut mir Leid, aber so viel Frechheit muss bestraft werden. Ihren Konkurrenten Sarkozy haben Sie in den Vorwahlen wegen gegen ihn laufender Ermittlungen angegriffen und sich selbst stets als den Politiker mit der weißen Weste dargestellt. Haben Sie nie daran gedacht, dass jemand dieses Bild hinterfragen könnte?

Seit Le canard enchaîné enthüllt hat, dass Sie Mitglieder Ihrer Familie aus den Mitteln, die Ihnen vom Staat für Ihre Arbeit als Minister zur Verfügung gestellt wurden, bezahlt haben - und zwar für Arbeiten, die sie offenbar nie geleistet haben - geht bei Ihnen alles den Bach runter. Fast 900.000 Euro hat Ihre Gattin Penelope für eine Tätigkeit als parlamentarische Assistentin bekommen, obwohl sie selbst im Jahr 2007 - also nach dem Zeitraum, in dem die Zahlungen erfolgten - in einem Interview mit dem Sunday Telegraph behauptete, nie als Ihre Assistentin gearbeitet zu haben und sich auch sonst stets als Hausfrau und Mutter gerierte.

Die Umfragewerte sinken seit diesen Enthüllungen, aktuell würden Sie es nicht einmal in die Stichwahl gegen Marine Le Pen schaffen. Vor diesem Hintergrund verstehe ich nicht, wie Sie eine dermaßen verlogene Kampagne fahren konnten. Wenn man Dreck am Stecken hat schadet es einem in jedem Fall, wenn es herauskommt (außer natürlich man heißt Donald Trump). Warum das Risiko eingehen und die sprichwörtliche weiße Weste auch noch zu einem zentralen Element des Wahlkampfs machen? Damit haben Sie diesen Rückschlag doch geradezu herausgefordert.

Nun denn, passiert ist passiert. Präsident werden Sie nun wohl eher nicht mehr, es sei denn natürlich, Emmanuel Macron verursacht noch vor der Wahl einen ähnlichen Skandal. Doch selbst wenn Sie es in die Stichwahl schaffen würden hätte ich inzwischen ernstahfte Sorgen, ob Sie gegen Marine Le Pen bestehen könnten. Macron währe mir ohnehin lieber.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-02/francois-fillon-frankreich-frau-penelope-fillon-druck
https://www.nzz.ch/neue-enthuellungen-zu-geldtransfers-die-luft-fuer-fillon-wird-immer-duenner-ld.143232