Das schlimme an Ihrer Aussage ist meines Erachtens, dass sie so einleuchtend ist. Sie argumentieren mit der Logik der Gesetzestexte und wenn man der Unfehlbarkeit dieser Texte vertraut, haben Sie auch absolut Recht. Die Frage ist nur, ob die "sorgfältige Abwägung" der Asylgründe, auf die Sie Bezug nehmen, wirklich alle Fluchtgründe abdeckt. Man kann natürlich behaupten, der Kosovo sei ein sicherer Drittsstaat (man ist sich international noch nicht einmal einig, ob er überhaupt ein Staat ist, oder?), nur weil gerade weniger Menschen erschossen werden, aber drohender Tod durch Krieg ist nicht die einzige nachvollziehbare Fluchtursache. Im Kosovo beispielsweise lebte laut einer Darstellung von Pro Asyl vor zwei Jahren - also etwa in der Zeit, in der Luans Familie geflohen ist - etwa ein Drittel der Bevölkerung von weniger als 1,40 € pro Tag. Warum sollte man Menschen, die von einem Tod durch Hunger bedroht sind, nicht aufnehmen? Oder solche, denen aufgrund ihrer Armut kein menschenwürdiges Leben möglich ist? Schließlich ist es doch unser Anspruch, uns als verhältnismäßig wohlhabendes Land für die Menschenrechte, allen voran die Würde des Menschen, einzusetzen, oder sehen Sie das anders?
Auch die Argumentation Ihres älteren Parteifreundes Buchmann, seit Anfang 2016 gebe es ja Erleichterungen der Arbeitsaufnahme und damit der legalen Einreise für Bürger von Balkanstaaten, die Luans Eltern hätten nutzen können, erscheint mir nicht ganz logisch. Schließlich ist die Familie Zejneli bereits seit 2 Jahren hier, die entsprechenden Regelungen gibt es aber erst seit einem Jahr. Wie hätten die Zejnelis die neuen Gesetze also nutzen können?
Sie selbst haben zudem behauptet, Luans Integration in Deutschland sei kein Grund, ihn bleiben zu lassen, da es hierzulande ja normal sei, zur Schule zu gehen und dort Freunde zu haben. Das ist es tatsächlich. Und wissen Sie was? Das ist der Sinn der Sache! Genau das ist die Integration, die auch von Vertretern Ihrer Partei immer wieder gefordert wurde: Menschen kommen nach Deutschland und verhalten sich da nach deutschen Maßstäben "ganz normal". Was verlangen Sie also von Luan Zejneli wenn nicht genau das?
Unabhängig vom rein rechtlichen Rahmen möchte ich jedoch auch noch etwas zu Ihrer Kritik an den Protesten Ihrer Mitschüler gegen die Abschiebung sagen. Sie wollen, dass sich die Klassenkameraden und Freunde von Luan damit abfinden, dass Luan und seine Familie abgeschoben werden. Mit anderen Worten: die Leute sollen sich aus der Politik heraushalten und gehorchen, wenn ihnen etwas gesagt wird.
Ich sehe das anders. Ist es nicht ein gutes Zeichen, wenn sich in Zeiten der allgemeinen Politikverdrossenheit ein paar junge Menschen hinter ein Anliegen stellen und ihre Meinung vertreten? Eine Petition ist ein legitimes Mittel politischer Meinungsäußerung und Einflussnahme. Hier artikuliert ein Teil der Bevölkerung seinen politischen Willen. Für (Jung-)Politiker wie Sie muss das doch ein Zeichen sein, eine Möglichkeit, herauszufinden, welche Themen die Menschen bewegen und wie diese Menschen regiert sein wollen. Letztlich ist eine Regierung (und damit auch eine Partei, die Regierungsverantwortung anstrebt) doch den Menschen verpflichtet, die sie regiert.
Oder wem sonst?
Mit freundlichen Grüßen
HG
Der Hintergrund:
Facebook-Post der "Schüler Union Leipzig"Petition "Luan soll bleiben"
PRO ASYL über Flucht aus dem Kosovo