Mittwoch, 15. Februar 2017

Sehr geehrter Herr Flynn,

Bild: de.wikipedia.org/wiki/Michael_T._Flynn
in meinen Augen bestätigt sich gerade, was eigentlich von vornherein klar war, was aber im Wahlkampf offensichtlich viele nicht sehen wollten: dass Präsident Trumps Darstellung als Anti-Establishment-Kandidat nicht die Spur glaubhafter ist, als wenn Hillary Clinton dasselbe von sich behauptet hätte. Es wäre ja auch mehr als naiv gewesen, zu glauben, dass ein Multimilliardär, der bislang noch nie auch nur versucht hat, den Anschein zu erwecken, dass ihn die Sorgen weniger begüterter interessieren, ein Präsident der sozial und wirtschaftlich abgehängten sein könnte.
Das zeigte sich schon im Wahlkampf, sehr deutlich aber ist es auch an der Besetzung seines Kabinetts zu sehen. Zahlreiche Millionäre oder Milliardäre, Hardliner in sozialen Fragen, Unternehmer wie Trump selbst, bei denen fraglich bleibt, inwiefern die Interessen ihrer Unternehmen in ihr politisches Handeln einfließen könnte.
Sie selbst, Herr Flynn, brauchten sich bis jetzt kaum eindeutige Verfehlungen vorwerfen zu lassen. Ihre Kontakte zu Russland standen in der Kritik und auch einige Ihrer Äußerungen im Wahlkampf hörten sich schon stark nach der Hetze des neuen US-Präsidenten an, aber als Ex-Militär ohne politische Erfahrung gehörten Sie zumindest nicht zur politischen oder wirtschaftlichen Elite und waren dem durchschnittlichen US-Bürger dadurch vielleicht ein bisschen näher als die meisten anderen Kabinaettsmitglieder - wobei man noch fragen kann, ob ein ehemaliger 3-Sterne-General tatsächlich mehr von der Lage eines geschassten Fabrikarbeiters aus Detroit versteht als ein Senator oder Gouverneur.
Jetzt jedoch haben Sie sich tatsächlich etwas geleistet, was nicht nur gegen den Anstand, sondern gleich gegen von Ihnen selbst postulierte Grundsätze verstößt. Dass Sie dem russischen Botschafter Kilyak relativ unverholen zu Verstehen gaben, die Regierung Trump werde die von Barack Obama in seinen letzten Amtsmonaten verhängten Sanktionen gegen Russland schon wieder rückgängig machen - wohlgemerkt deutlich bevor Trump das Amt des Präsidenten offiziell übernahm - verstößt gegen US-Gesetze, berührt aber noch nicht in entscheidendem Maße Ihre persönliche Glaubwürdigkeit. Dass Sie aber, als Informationen über das Telefongespräch mit Kilyak öffentlich wurden, über Wochen hinweg leugneten, das Thema Sanktionen überhaupt angesprochen zu haben, nur um dann, als handfestere Beweise auftauchten, einen Rückzieher machten und auf Erinnerungslücken pochten, das sieht schon stark nach dem aus, was Sie und Trump den etablierten Politikern immer vorgeworfen haben. Den damaligen Präsidenten Obama im Wahlkampf öffentlich einen "Lügner" zu nennen, nur um weniger als vier Wochen nach der eigenen Amtseinführung als "Oberster Berater der Nationalen Sicherheit" wegen eigener Lügen zurücktreten zu müssen - das sieht geradezu rekordverdächtig falsch aus.
Sicher, keiner weiß, ob im weißen Haus nicht doch alle informiert waren und Sie sich jetzt nur für Ihren Chef opfern müssen. Selbst dann bleibt jedoch die Frage, was derartige Widersprüchlichkeiten über die Regierung aussagen, der Sie sich da angeschlossen hatten? So oder so, seien Sie froh, dass sie da raus sind und denken Sie das nächste Mal ehrlich über sich selbst nach, bevor Sie anderen Leuten Fehler vorwerfen, die sie selbst ohne Weiteres begehen.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-11/donald-trump-kabinett-regierung
http://www.taz.de/!5380830/


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