So fällt es mir beispielsweise äußerst schwer, Sie als Grünen ernst zu nehmen, wenn Sie mal wieder Ihre Meinung zu der Einordnung der Maghreb-Staaten (Marokko, Algerien und Tunesien) als "sichere Herkunftsländer" für Flüchtlinge zum Ausdruck bringen.
Die Mehrzahl Ihrer Parteigenossen lehnt eine solche Zuordnung ab. Das entsprechende Gesetz ist im Bundesrat gescheitert, da die Grünen in der Mehrzahl der Länder an der Regierung beteiligt sind und bei Uneinigkeit der Koalitionspartner eine Enthaltung des Landes im Bundesrat üblich ist. Nur Baden-Württemberg, das einzige Land, in dem die Grünen tatsächlich die stärkste Landtagsfraktion bilden und den Ministerpräsidenten (das sind Sie!) stellen, hat dem Vorschlag zugestimmt. Warum? Um Asylverfahren zu beschleunigen und Flüchtlinge schneller zurückschicken zu können. Das ist das einzige Ziel. Wenn jedoch die Rückführung ins Heimatland das erklärte Ziel der Asylpolitik ist, dann ist eine Gewährung von Asyl offensichtlich unerwünscht. Wie kann man da mit einem fairen Asylverfahren rechnen? Oder damit, dass die Erklärung zu "sicheren Herkunftsstaaten" fair abläuft? Wir sehen an Afghanistan, dass solche Einschätzungen momentan nicht sehr stichhaltig sind, schließlich fanden die kürzlichen Abschiebungen in dieses Land auch mit der Begründung statt, es gebe "sichere Regionen", in die man Menschen abschieben könne. Die Taliban halten sich aber nicht zwingend an die Grenzen sicherer Regionen, wie sie die Bundesregierung vorschreibt. Regionen sind in Afghanistan allenfalls im Vergleich zur Nachbarregion sicher, niemals aber im Vergleich zu Deutschland.
Doch zurück zu den Maghrebländern. Auch hier ist die Frage nach der "Sicherheit" nicht so einfach zu beantworten. Amnesty International und Pro Asyl berichten von der Verfolgung von Frauen, Oppositionellen Homosexuellen und Journalisten. Selbst das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) schreibt in den internen Leitlinien, eine Verfolgung durch den Staat könne beispielsweise in Marokko nicht ausgeschlossen werden. Das Bundesverfassungsgericht verlangt jedoch für die Einordnung als "sicher", dass im ganzen Land alle Bevölkerungsgruppen sicher vor politischer Verfolgung sein müssen.
Wozu dann also das ganze Engagement für die Einordnung dieser Staaten als "sichere Herkunftsländer"? Es war von vornherein klar, dass das Gesetz nicht durch den Bundesrat kommt, wäre es doch durchgekommen, wäre es vor dem Bundesverfassungsgericht gekippt worden. Außerdem sind die Flüchtlingszahlen aus den Maghrebstaaten deutlich zurückgegangen. Gerade mal drei Prozent der 2016 angekommenen Flüchtlinge kommen aus diesen drei Ländern. Warum machen Sie sich also die Mühe, die wahlkampfinduzierten Profilierungsversuche der CDU/CSU zu unterstützen, wenn schon vorher klar ist, dass die ganze Aktion nichts bringt?
Auch den Maghrebiner Anis Amri währen wir mit einer Regelung wie dieser nicht schneller losgeworden. Amri war schließlich ausreisepflichtig. Das Problem war schlicht und einfach, dass ihn keiner zurücknehmen wollte. Daran würde auch eine Einstufung seines Heimatlands Tunesien als "sicher" nichts ändern.
Ich kann mir, wie gesagt, Ihre Gründe nicht erklären. Vielleicht tun Sie es ja demnächst. Vielleicht kommen Sie aber auch zu dem Schluss, dass Ihnen eigentlich auch kein guter Grund für dieses Gesetz einfäll. Ich würde mich über beides freuen.
Mit freundlichen Grüßen
HG
Der Hintergrund:
ZEIT.de: Maghreb-Staaten: Nur Show um sichere Herkunftsländertagesschau.de: Maghreb-Staaten sind nicht sicher
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