Freitag, 13. Oktober 2017

Sehr geehrter Herr Kurz,

ein bisschen musste ich ja schon grinsen, als ich vor ein paar Monaten von Ihrer "Liste Kurz" gelesen
habe. Ich hätte gern Überschriften gelesen wie: "Liste Kurz - Konservative stellen weniger Kandidaten auf, als erwartet" oder etwas in der Art, muss aber zugeben, dass ich den österreichischen Wahlkampf damals nur am Rande mitverfolgt habe.

Dass dieser mit harten Bandagen geführt wurde, habe ich allerdings mitbekommen. Auch, dass gerade gegen Ende des Wahlkampfs die Bandagen gerne mal gegen den Schlagring ausgetauscht wurden - und das nicht nur bei den Dirty-Campaigning-Sozen, sondern auch bei Ihnen und Ihrem Spitzelverein.

Nun würde ich Sie gerne darauf aufmerksam machen, dass Sie und Herr Kern mit Ihren jeweiligen Parteien durch diese Maßnahmen ebenso wie durch die hin- und herfliegenden Beschuldigungen den Eindruck einer Kindergartengruppe erwecken, die über die Frage aneinandergeraten ist, wer als nächster aufs Trampolin darf, während sich daneben mit Herrn Strache ein ausgewiesener Rechtspopulist als "vernünftige Alternative" darstellen kann. Ich würde Sie darauf aufmerksam machen - allein, es wäre vergebens. Sie haben Ihre politische Linie so sehr der von Straches FPÖ angeglichen, dass es praktisch keinen Sinn mehr macht, Sie zu wählen, um ihn zu verhindern. Herr Kurz, wenn man Sie an Ihren Positionen misst, sind Sie nichts anderes als ein Abziehbild ihres politischen Gegners (na gut: des einen Ihrer politischen Gegner. Herr Kern ist ja noch nicht ganz weg vom Fenster).

Das allerdings bringt uns zur Frage: Warum kandidieren Sie überhaupt? Könnten Sie nicht einfach Herrn Straches Kandidatur unterstützen und sich freuen, wenn er dann Ihre gemeinsame Agenda umsetzt?
Könnten Sie, machen Sie aber nicht, denn was Sie eigentlich wollen ist nicht, dass Minderheiten unterdrückt und Flüchtlinge abgewiesen werden. Das ist Ihnen wohl mehr oder weniger egal. Was Sie wirklich wollen ist, so glaube ich, ganz einfach: Kanzler sein. Nichts weiter. Dass das als alleinige Begründung Ihres Anspruchs auf die Position des Regierungschefs nicht ausreicht, brauche ich Ihnen wohl nicht zu schreiben. Das haben Andere mit Sicherheit schon des Öfteren getan und Sie werden inzwischen wohl eine gewisse Routine darin haben, es zu überlesen.

Mein Rat ist deshalb genauso kurz und simpel wie Ihre Ziele für diesen Wahlkampf. Er lautet: Lassen Sie's einfach. Werden Sie nicht Kanzler. Zumindest nicht, wenn Sie sich dazu ausgerechnet zum zweiten Strache machen müssen. Noch besser wäre es allerdings, wenn Sie Ihre Intelligenz und Ihre Erfahrung als Politiker dazu nutzen würden, den menschenfeindlichen Ansichten der FPÖ zu widersprechen, ihre Argumente zu entkräften und auch konservativ eingestellten Österreichern zu zeigen, dass Konservatismus nicht zwingend menschenverachtend sein muss. Wenn Ihnen das nicht gelingt, wäre es an der Zeit, zu überlegen, ob Sie in der richtigen Partei sind.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

Süddeutsche.de: Österreichs Wahlkampf, plötzlich würdevoll

Bildquelle:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/37/Kurz2017.jpg

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