Donnerstag, 4. April 2019

Sehr geehrter Herr Scheuer,

Ich habe Sie neulich auf einer Fridays-for-Future-Demo gesehen. Na ja, Ihr Gesicht zumindest. Ein Bild. Auf einem Plakat. Okay, es war eine Karrikatur von Ihnen als "Captain no planet". Aber es waren eindeutig Sie!
Die Schüler*innen, so viel kann man sehen, rufen nicht einfach Wünsche in den leeren Raum hinein. Sie wissen sehr wohl, an wen sie sich wenden wollen. Sie wissen, dass der Verkehrssektor eine große Rolle spielt, wenn es darum geht, die Treibhausgasemissionen Deutschlands zu verringern. Sie haben offenbar ebenfalls mitbekommen, wie zögerlich der hierfür verantwortliche Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur (falls Sie es vergessen haben: das sind Sie!) hier vorgeht und wie viel wichtiger ihm das Wohlergehen der Autokonzerne zu sein scheint - trotz aller Klimarhetorik, die Sie im Gegensatz zu Ihren Vorgängern immer mal wieder auffahren. Diese jungen Menschen verlangen von Ihnen, dass Sie ihre Zukunft schützen, weil Sie als aktueller Verkehrsminister dafür verantwortlich sind.

Ihr Kabinettskollege Peter Altmaier fiel vor Kurzem mit der interessanten These auf, Klimaschutz könne nur funktionieren, wenn unser Wohlstand nicht gefährdet werde und auch wenn Sie immer versuchen, den Eindruck zu erwecken, als nämen Sie Klimaschutz ernst, bin ich mir ziemlich sicher, dass Sie diese Behauptung sofort unterschreiben würden. Auch Christian Lindners Forderung, die Schüler*innen sollten Klimaschutz doch bitte den "Profis" überlassen, dürfte bei Ihnen auf offene Ohren getroffen sein - schließlich haben Sie selbst sich dafür ausgesprochen, die Demos außerhalb der Schulzeit stattfinden zu lassen, also zu einer Zeit, wo sie niemanden mehr stören und Sie sie nicht mehr ernst nehmen müssen.

Deshalb möchte ich Sie gerne an ein paar Infos darüber teilhaben lassen, wie Klimaschutz tatsächlich funktioniert - und zwar von echten "Profis" beschlossen und durchgeführt. Das Land der Verheißung heißt wie so oft Schweden. Während Deutschland sich noch immer darum streitet, was alles nicht geht und wofür uns die Ressourcen fehlen, hat die schwedische Regierung bereits vor zwei Jahren entschieden, Schweden bis 2045 klimaneutral zu machen. Jawohl, das ganze Land! Mithilfe einer CO2-Steuer und eines CO2-Fonds soll dieser schnelle Wechsel finanziert werden. Und es sind keine in der schulischen Ausbildung befindlichen Jugendlichen, die das beschlossen haben. Es sind Regierung und Parlament. Politik-"Profis" wie Sie selbst einer sind. Diese Leute rennen nicht blind in ein Fiasko. Sie sind sich der Tatsache durchaus bewusst, dass es sich um ein äußerst ambitioniertes Vorhaben handelt. Im Gegensatz zur deutschen Bundesregierung scheinen sie aber begriffen zu haben, dass es darunter nicht mehr geht. Wenn die Klimakatastrophe in ihrer schlimmsten Form verhindert werden soll, hilft nur noch ein äußerst ambitioniertes Vorgehen!

Genau das wäre eigentlich auch Ihre Aufgabe: mutige und effektive, an manchen Stellen auch drastische Pläne zu entwicklen und umzusetzen, um die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor innerhalb kurzer Zeit dramatisch zu senken. Alles andere macht Sie in noch höherem Maße als uns andere zum Mitschuldigen an der Klimakatastrophe und dem Leid, das sie verursachen wird - und mancherorts bereits verursacht.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

süddeutsche.de: Scheuer muss beim Klimaschutz endlich mutig sein
taz.de: "Grüne" Hoffnung für die Ostsee


Bildquelle:

https://www.csu.de/common/scheuer/Andreas_Scheuer_3.jpg

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen