Freitag, 16. Februar 2018

Sehr geehrter Herr Poggenburg,

ich habe mir abgewöhnt, von Angehörigen Ihrer Partei irgendetwas Gutes zu erwarten. Lange schon habe ich mir das abgewöhnt und was ich von Ihnen und Ihren Parteifreunden höre, gibt mir in diesem Punkt wieder und wieder Recht.
Man sollte ja meinen, jemand, von dem man absolut nichts Positives erwartet, könne einen im Grunde nur noch positiv überraschen. Das Niveau meiner Erwartungen an die AfD ist so gering, dass es ein Leichtes sein sollte, mit einem lockeren Sprung darüber hinwegzusetzen. Genaugenommen bräuchte es nicht mal einen Sprung. Es würde schon reichen, wenn Sie es schaffen würden, die metaphorischen Sohlen vom klebrigen Untergrund Ihrer menschenfeindlichen Ideologie und Ihrer lächerlichen Opferrollenrhetorik zu lösen. Ich wäre überrascht, positiv überrascht. Stattdessen bringen Sie aber immer wieder ein ganz anderes Kunststück fertig: Obwohl ich der Meinung bin, doch inzwischen wirklich nichts Konstruktives mehr von Ihnen zu erwarten, bin ich doch immer wieder von AfDlern enttäuscht. Das muss man erst mal fertig bringen.

Jüngstes Beispiel für diese Glanztaten im Niveau-Limbo (Ist das schon olympisch? Ich wüsste ein paar ernsthafte internationale Konkurrenten...) ist Ihre verunglimpfung von Deutschtürken als "Kameltreiber", die " weit, weit, weit hinter den Bosporus, zu den Lehmhütten und Vielweibern" zurückkehren sollten. Abgesehen davon, dass die von Ihnen reproduzierten Stereotype sich auf eine Türkei von vor Jahrhunderten beziehen (Sehen Sie sich die "Lehmhütten" in Istanbul, Ankara oder Diyarbakır doch mal an...!) und der Begriff "Vielweiber" jedes Sinns entbehrt ("Das Vielweib - die Vielweiber"? Und was kann an einem Weib bitte "viel" sein? Denken Sie nochmal in Ruhe nach, Herr Poggenburg...), entsprechen Ihre Äußerungen natürlich ganz der rassistischen Masche, die die AfD - namentlich die Gruppierung um Ihren Freund Höcke - schon seit längerer Zeit strickt. Was mich trotzdem dazu veranlasst, Ihnen diesen Brief zu schreiben, ist die Unverfrohrenheit, mit der Sie die ganze Sache, als der Skandal endlich groß genug war, als "zugespitzte Politsatire" zum Aschermittwoch relativierten und sich noch zum Verteidiger einer alten Tradition aufschwingen wollten, indem Sie andeuteten, der Brauch der politischen Aschermittwochs sei durch "politische Korrektheit" gefährdet. "Eine Herabsetzung anderer Nationalitäten" liege Ihnen allerdings "völlig fern".
Herr Poggenburg, hier herrscht offenbar ein Mangel an grundlegender Bildungsarbeit. Ich will versuchen, ein wenig zur Behebung dieses Mangels beizutragen.
Erstens: Es gibt - vielleicht ist Ihnen das nicht bekannt - durchaus auch andere Parteien in Deutschland, die Veranstaltungen zum politischen Aschermittwoch durchführen. Diese kommen zwar nicht sämtlich ohne Polemisierung gegen Minderheiten aus - siehe Markus Söders Äußerungen zum Verhältnis von Bayern und Islam - aber zumindest lässt sich keine von ihnen zu so eindeutig rassistischen Schmähungen herab, wie Sie das tun. Der politische Aschermittwoch ist von der Wortwahl her durchaus "etwas derber", wie Ihr Parteichef Meuthen es ausdrückt, für gewöhnlich zieht man jedoch eher über den politischen Gegner her, als die Angehörigen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen zu beleidigen. Derartige menschenverachtende Rhetorik braucht auch ein noch so traditionsbewusster Aschermittwoch nicht.
Und damit wären wir auch schon beim zweiten Punkt, nämlich bei Ihrer lächerlichen Behauptung, die Herabsetzung anderer Nationalitäten sei nicht die Absicht Ihrer Rede gewesen: Nein, Herr Poggenburg. Nein. Diese Behauptung ist so eindeutig verlogen, dass es mir schwer fällt, die richtigen Worte dafür zu finden. Eine Bezeichnung von (Deutsch-)Türken als "Kameltreiber" und "Kümmelhändler", eine Darstellung der Türkei als Land der "Lehmhütten" und "Vielweiber" (Noch einmal: Was für ein Wort!) kann niemand ernsthaft für nicht-rassistisch halten. Wer so etwas verteidigt, ist selbst Rassist. Wer so etwas sagt, will Rassisten hinter sich versammeln, und wenn Sie ehrlich zum von Ihnen so geschätzten "deutschen Volk" sein wollten, würden sie das offen zugeben.

Mit (...) Grüßen

HG


Der Hintergrund:

zeit.de: Rassismusvorwürfe nach "Kameltreiber"-Rede
n-tv.de: AfD-Chef kritisiert Poggenburg ein bisschen

Bildquelle:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/19/Andr%C3%A9_Poggenburg_in_Hannover_2015-11.png
CC BY 3.0
File:André Poggenburg in Hannover 2015-11.png
Erstellt: zwischen 28. November 2015 und 29. November 2015

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