Freitag, 2. Februar 2018

Sehr geehrte Frau Högl,

(c) Detlef Eden
als "Erfolg für die SPD" haben Sie kürzlich die Einigung der in der Findung begriffenen Großen Koalition in Sachen Familiennachzug bezeichnet. Wenn das ein Erfolg für Sie ist, kann ich mich nur ernsthaft fragen, welche Ziele die SPD in den Verhandlungen eigentlich vertreten hat? Eine Begrenzung der per Familiennachzug einreisenden Geflüchteten auf 1000 pro Monat ist jedenfalls nicht das, was man allgemein als "humanitäre Flüchtlingspolitik" bezeichnen würde. Zurecht wird jetzt von allen Seiten Kritik laut, denn die Fragen, die schon bei der allgemeinen Obergrenze für die Aufnahme von Geflüchteten gestellt wurden, lassen sich hier wieder stellen: Wer darf rein, wer nicht? Und wer darf darüber anhand welcher Priorisierung bestimmen? Was ist mit der 1001. Geflüchteten, die genausowenig in ihr Heimatland zurück kann, wie alle vor ihr? Ganz ehrlich, Frau Högl, die Regelung, die Sie mit der Union ausgehandelt haben, ist mit Sicherheit alles andere als praktikabel, menschenfreundlich ist sie erst recht nicht.
Auch die in Aussicht gestellte großzügigere Auslegung der Härtefallregelung macht den Kohl nicht fett. Bisher gibt es kaum Fälle, in denen diese Regelung greift, und selbst wenn sich das bessern sollte, hängt die ganze Sache wieder von der willkürlichen Entscheidung irgendeines Menschen ab. Davon darf die Frage nach dem Zusammenleben einer Familie aber nicht abhängig sein, jedenfalls nicht, wenn dies zu verhindern ist.
Eine Begrenzung ist und bleibt eine Begrenzung und das Recht auf Asyl sowie das Recht auf Familie von aus Kriegsgebieten geflüchteten Menschen von einer willkürlich gesetzten Nummer abhängig zu machen ist und bleibt unmenschlich.

Neben der Frage, ob die mit den Unionsparteien getroffene Vereinbarung ein "Erfolg" für die SPD ist, ist noch eine weitere Frage interessant: Ist die Regelung gut für die SPD?
Wenn ich Ihre Worte über den Erfolg der SPD so lese, habe ich das Gefühl, dass Sie versuchen, sich das herbeizureden, was Ihre Partei gerade am nötigsten braucht. Irgendein Erfolg, irgendetwas, das in der Öffentlichkeit ankommt und zeigt: Die SPD ist noch da. Sie ist relevant. Wir können noch einen Unterschied machen. Wir können noch begeistern, verdammt!
Ich gebe zu, dagegen lässt sich erstmal nicht viel sagen. Ein spürbarer Erfolg, ein Erfolg, der auch wahrgenommen wird - das ist tatsächlich genau das, was die Sozialdemokraten gerade brauchen, sowohl für ihr eigenes Selbstbewusstsein, als auch für die Trendwende in den Umfragen. Das große Problem: Um dabei glaubwürdig zu sein, müssten Sie und Ihre Genossen erst einmal so etwas wie einen veritablen Erfolg auf die Beine stellen. Einfach jeden Versuch, etwas zu erreichen, zum historischen Durchbruch zu erklären, einfach, weil man gerade einen braucht, hilft Ihnen nicht weiter. Ihre Genossin Manuela Schwesig scheint das kapiert zu haben und lehnt sich nicht so weit aus dem Fenster.
Aber zurück zur Frage: Ist der Kompromiss beim Familiennachzug gut für die SPD?
Meine Antwort: Nein.
Der Kompromiss ist im Grunde ein Erfolg der CSU, die ihre Position mit einer geringfügigen Veränderung durchdrücken konnte. Je mehr Sie und andere SPDler betonen, was für ein toller Coup Ihnen da geglückt sei, desto mehr fällt allen auf, dass Sie sich da ganz schön haben unterbuttern lassen - und desto mehr gewinnen die Menschen den Eindruck, dass Sie eigentlich kaum politische Arbeit, sondern vielmehr eine als solche Verkleidete Form der Eigenwerbung betreiben. Was belitb, ist das schon seit einigen Jahren immer wieder gern bestätigte Bild einer Verlierer-SPD, die im Grunde kaum noch etwas tut als Wahlen zu verlieren und ihr eigenes Dahinsiechen zu organisieren.
Mein Tipp: Wenn man nicht mit eigenen Erfolgen für sich werben kann, dann lohnt es sich manchmal, es mit klaren Positionen zu tun.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

deutschlandfunk.de: Högl - "Einigung ist Erfolg für die SPD"
zeit.de: Bundestag setzt Familiennachzug bis Ende Juli aus

Bildquelle:

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