Freitag, 20. April 2018

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

an Ihrem Beispiel kann man gerade gut erkennen, welche Probleme der Zusammenschluss zu großen Sammlungsbewegungen mit sich bringt. Sie sind Vorsitzender des deutschen Gewerkschaftsbundes, einer Organisation also, in der sich Gewerkschaften der unterschiedlichsten Branchen zusammengetan haben. Das macht schon Sinn, wenn man davon ausgeht, dass eine Bündelung gemeinsamer Interessen und ein koordiniertes Vorgehen der einzelnen Gewerkschaften mehr Erfolg versprechen. Als Basis daür braucht es allerdings erst einmal gemeinsame Ziele oder Interessen und genau diese Basis ist im DGB ziemlich brüchig: Sie wollen die Interessen der Arbeitnehmer (über die absurde Verwendung dieses Wortes in unserer Gesellschaft unterhalten wir uns vielleicht lieber ein andermal...) vertreten. Da gibt es sicherlich einige, die in so ziemlich allen Branchen gleich sind, wie etwa Fragen von Rechten und Ansprüchen, die Arbeitnehmer den Arbeitgebern gegenüber geltend machen können. Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine ganze Reihe von Themen, zu denen Menschen in einer Berufsgruppe tendenziell eine ganz andere Einstellung haben, als die in einer anderen. So können sich Menschen, die hauptberuflich Windkraftanlagen warten üblicherweise ganz gut mit der Energiewende anfreunden, während Angestellte aus der Kohleindustrie zumindest zu nicht vernachlässigbaren Teilen Probleme damit haben dürften.

Und mit diesem Beispiel wären wir auch schon beim Thema: Es geht um den Antrag für den DGB-Bundeskongress, den Sie und der restliche Vorstand gerade herumgeschickt haben. Speziell wollte ich Ihnen ein Feedback zu der deutlich abgespeckten Unterstützungserklärung für die Bestrebungen zur Einsparung von Treibhausgasen zukommen lassen. Kurzfassung: Zum kotzen.
Aber von vorn. Der Antrag an sich ist ja nicht erst jetzt entstanden, sondern stammt schon vom Januar. In der ursprünglichen Fassung sah es noch wesentlich klimafreundlicher aus: Klimaschutzziele "auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene" wollten Sie unterstützen - zwar noch nicht sehr konkret, aber grundsätzlich sehr löblich. In der neuen Fassung des Antrags sind diese Bekenntnisse nicht mehr zu finden. Lediglich zu den Pariser Klimazielen bekennen Sie sich ganz allgemein - der "Klimaschutzplan 2050", der im ersten Entwurf noch gelobt wurde, wird nun scharf kritisiert. Sie vermissen "adäquate Instrumente", um "Zielkonflikte" zu bewältigen, die der Klimaschutzplan auslösen werde.

Woher dieser Sinneswandel kommt, ist nicht schwer zu erraten: Die "IG Bergbau, Chemie, Energie", eine Ihrer Mitgliedsgewerkschaften, wird wohl Stunk gemacht haben. Die IG BCE vertritt unter anderem auch zahlreiche Arbeiter*innen im Kohlebergbau und in der Kohleverstromung. Damit die ihre Arbeitsplätze nicht verlieren, kämpft die IG BCE gegen die Energiewende und verzögert sie, wo sie nur kann.
Ob der Ansatz der IG BCE nun zielführend ist, darf bezweifelt werden. Da absehbar ist, dass die Zukunft des Energiesektors nicht in der Kohleverstromung liegen wird (bzw. darf!), werden wir um einen Kohleausstieg mittelfristig nicht herumkommen. Eine wichtige Aufgabe für die IG BCE wäre also, auf einen Kohleausstieg hinzuarbeiten, der die Angestellten im Kohleabbau und der Kohleverstromung nicht im Regen stehen lässt. Es braucht ein Konzept, wie in den betroffenen Regionen neue Jobs entstehen und wie den ehemaligen Arbeiter*innen in Kohlekraftwerken und Tagebauen Perspektiven für die Zukunft eröffnet werden können. Einfach nur so stark wie möglich auf die Bremse zu treten bringt gar nichts. Die Folge ist nur, dass der Kohleausstieg letztendlich ganz plötzlich und ohne ordentliche Vorbereitung erfolgt, weil viel zu spät auch in der Bundesregierung festgestellt wurde, dass ohne Kohleausstieg eben kein vernünftiges Emmissionsziel erreicht werden kann. Ein geordneter und von langer Hand vorbereiteter Wechsel ist da für alle besser.

Bei Ihnen, Herr Hoffmann, und beim DGB zeigt sich jetzt ganz klar, in was für einem Zwiespalt Sie stecken: Die Annahme, Ihre Mitgliedsgewerkschaften hätten doch im Grunde alle die gleichen (oder doch zumindest kompatible) Ziele, hat sich als irrig erwiesen. Ihr Rückzieher beim Klimaschutz, mit dem Sie einem Ihrer Mitglieder einen Gefallen tun wollten, wird von einem anderen Mitglied kritisiert: Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fordert Sie auf, den Klimaschutzplan 2050 wieder offiziell zu unterstützen.
Was nun?
Ich sehe zwei mögliche Lösungen: Entweder der DGB beschränkt sich in seinen politischen Äußerungen auf die Punkte, die unter den Mitgliedern absolut unumstritten sind. Das würde Ihre Fähigkeit, an der öffentlichen Debatte teilzunehmen, stark in Mitleidenschaft ziehen.
Oder aber - das ist die unbequemere, aber politischere Variante - der DGB bekennt sich dazu, eigene politische Vorstellungen zu haben, die auch mit denen der Mitgliesgewerkschaften differieren können. Dieser Schritt wäre radikaler, da er die Gefahr in sich birgt, dass einzelne Gewerkschaften sich im DGB nicht mehr ausreichend vertreten fühlen und den Bund verlassen. Dem Gewicht, das den Stellungnahmen des DGB in der Öffentlichkeit beigemessen wird, würde es jedoch aufhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

HG


Der Hintergrund:

taz.de: Auf Distanz zum Klimaschutzplan

Bildquelle:

http://www.dgb.de/++co++4a2e4f50-a31c-11e5-8f74-52540023ef1a

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