Freitag, 4. Mai 2018

Sehr geehrte Frau Kramp-Karrenbauer,

mir ist schon klar, dass Sie als CDU-Generalsekretärin ein Herz für die Bundeswehr haben (müssen). Von daher ist es nicht verwunderlich, dass Sie sich auch in der aktuellen Debatte um die Teilnahme der Bundeswehr an der Internet-Konferenz re:publica auf die Seite der Streitkräfte stellen. Hier trotzdem ein paar Gedanken zu Ihrer Äußerung auf Twitter und zu der ganzen Bundeswehr-re:publica-Sache an sich:

1. Wer eine solche Konferenz veranstaltet und nicht rechtlich dazu verpflichtet ist, bestimmte gesellschaftliche Akteure zu berücksichtigen, entscheidet zunächst einmal selbst, wen er oder sie einlädt. Wenn sich die Veranstalter*innen der re:publica als Pazifist*innen und ihre Veranstaltung als pazifistische Veranstaltung verstehen, dann ist die Entscheidung, das Militär nicht einzuladen, zunächst einmal nachvollziehbar. Zugegeben, sie ist nicht zwingend. Die Veranstalter*innen hätten zum Beispiel auch die ganze re:publica unter ein entsprechendes Motto stellen und Dialog und Debatte mit der Bundeswehr zum Mittelpunkt erklären können. Einfach nur einen Stand zu genehmigen und die Bundeswehr da ihr Ding machen zu lassen wäre der Haltung und dem Selbstverständnis der re:publica aber nicht gerecht geworden.

2. Ihre Bemerkung, die Ausladung der Bundeswehr sei "schlechter Stil gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten" liest sich so, als würden hier Menschen aufgrund ihres Berufs benachteiligt. Das ist aber nicht der Fall. Auch Soldat*innen können die re:publica ganz normal besuchen - in zivil. Auch der viel zitierte Kaninchenzüchterverband hat keinen Stand auf der re:publica, ohne dass dadurch der einzelne Kaninchenzüchter ausgeschlossen wäre. Lediglich der Bundeswehr als Institution wurde der Zutritt versagt. Was die einzelnen Soldat*innen davon haben könnten, wenn ihre Arbeitgeberin auf der re:publica einen Stand hat (bzw. was ihnen weggenommen wird, wenn sie dort keinen hat), ist mir nicht so ganz klar.

3. Die Reaktion der Bundeswehr, die ja als lässige Retourkutsche rüberkommen soll, ist es wert, nochmal überdacht zu werden. Zunächst einmal kommt mir die Sache nicht cool und souverän, sondern irgendwie albern vor. Die Bundeswehr tut so, als habe sie ein Recht darauf, auf der re:publica mit einem Stand vertreten zu sein und stilisiert sich zum Opfer der parteiischen Entscheidungen der an dieser Stelle übermächtigen Veranstalter*innen. Der eine oder die andere mag auf den Gedanken kommen, dass hier einfach jemand beleidigt ist, weil Leute aufgetaucht sind, die nicht gleich springen, sobald die Bundeswehr Wünsche äußert (wie etwa all die Leute, die meinen, Jahr für Jahr neue Millliarden in die Rüstung stecken zu müssen, weil die Armee ja so schlecht ausgerüstet ist - ohne zu fragen, ob das alles nicht viel billiger ginge, wenn man gleich Equipment kaufen würde, das nachweislich funktioniert).

Wie auch immer man diesen Punkt auch betrachten mag, auffällig bleibt, dass die Bundeswehr Steuermittel für eine Kampagne gegen die Veranstalter*innen der re:publica ausgibt. Nochmal: Staatlicher Akteur finanziert aus staatlichen Mitteln eine Werbekampagne gegen einen zivilgesellschaftlichen Akteur - nicht etwa, weil dieser Recht gebrochen oder damit gedroht hätte (dann gäbe es auch wirksamere Mittel als das Verteilen von Flyern), sondern weil er auf einer von ihm organisierten Veranstaltung Regeln für die Teilnahme aufstellt, die dem staatlichen Akteur nicht passen. Geht's noch? Wenn dann noch die Social-Media-Angestellten der Bundeswehr den Shitstorm pushen, indem sie die Verunglimpfung der re:publica-Organisator*innen als "Vaterlandslose Gesellen" per Kommentar ermutigen und die Forderung "Rotten weise [sic! ;)] von vorne in das Gebäude eindringen" gegen Kritik verteidigen, dann zieht auch die Behauptung nicht mehr, die Bundeswehr sichere die Meinungsfreiheit, auch, damit man sich gegen sie aussprechen könne. Wer als staatlicher Akteur zu solchen Maßnahmen greift, um den eigenen Willen (Achtung! Nicht: "die eigenen Rechte") gegenüber einer zivilgesellschaftlichen Gruppierung durchzusetzen, der sollte Worte wie "Meinungsfreiheit" vielleicht nicht ganz so selbstbewusst herausposaunen. Und Sie, Frau Kramp-Karrenbauer, sollten sich eventuell mal überlegen, ob die Bundeswehr tatsächlich immer Recht hat, nur weil sie die Bundeswehr ist.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

deutschlandfunkkultur.de: Guerilla-Aktion der Bundeswehr löst eine Debatte aus
taz.de: Wir. Dienen. Digitaldeutschland.

Bildquelle:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/1b/Kramp-Karrenbauer_CDU_Parteitag_2014_by_Olaf_Kosinsky-24.jpg/1024px-Kramp-Karrenbauer_CDU_Parteitag_2014_by_Olaf_Kosinsky-24.jpg
Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en
Foto von Olaf Kosinsky

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