Freitag, 17. August 2018

Sehr geehrter Herr Morawiecki,

ich weiß nicht genau, an wen ich mich mit meinem Anliegen zu wenden habe, da bislang geheimgehalten wird, welches Amt hier tätig geworden ist. Da es sich aber laut polnischer Ausländerbehörde um eine andere Regierungsbehörde handelt, liege ich wahrscheinlich nicht vollkommen falsch, wenn ich Ihnen als Regierungschef schreibe. Es geht um Folgendes:

Ludmila Kozlowska und ihr Mann Bartosz Kramek betreiben eine NGO namens "Stiftung Offener Dialog". Die Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, (Menschen-)Rechtsbrüche in verschiedenen osteuropäischen Ländern zu thematisieren und zu kritisieren. Dabei beschäftigte Kozlowska sich vor allem mit der Ukraine - deren Staatsbürgerschaft sie auch besitzt - sowie mit Russland, Kasachstan und Moldau. Kramek hingegen war in Polen aktiv, sprach dort mehrfach Verfassungsbrüche Ihrer Regierung (beziehungsweise der Vorgängerregierung, die auch von Ihrer Partei gebildet wurde und deren Teil sie waren) an und geriet so mit Ihnen und Ihren Leuten aneinander.
Nachdem das Außenministerium vor Gericht mit dem Antrag gescheitert war, den Stiftungsvorstand abzusetzen, kam es nun zu einer - im schlechtesten Sinne - bemerkenswerten Szene: Kozlowska, die mit den Streitigkeiten in Polen gar nicht so viel zu tun hatte, wurde bei einem Besuch in Brüssel von der dortigen Polizei festgenommen und nach Kiev abgeschoben. Der Grund? Das polnische Ausländeramt hatte sie - auf Antrag einer anderen Behörde - als "Ernstfall" ins Schengen-Informations-System (SIS) eintragen lassen, das den Sicherheitsbehörden der Schengen-Länder dazu dient, Informationen miteinander zu teilen. Kozlowska darf nun nicht mehr ohne Weiteres in den Schengen-Raum einreisen, außer sie beantragt ein Visum für eines der Länder und dieses wird auch bewilligt, was mit einem Eintrag im SIS unwahrscheinlich sein dürfte.

Welche Gründe es dafür geben könnte, dass die Sicherheit des polnischen Staates durch Ludmila Kozlowska gefährdet sein könnte, ist bislang nicht bekannt. Schließlich lag ihr Arbeitsschwerpunkt eher in anderen osteuropäischen Ländern. Auch aus diesem Grunde liegt die Vermutung nahe, dass Kozlowska nicht aufgrund eines Verdachts gegen ihre Person auf die Liste gesetzt wurde, sondern wegen des regierungskritischen Engagements ihres Mannes.

Wenn eine solche Sippenhaft in Polen möglich ist - noch dazu für ein so ehrenwertes Nicht-Verbrechen wie die Kritik an einer ohne jede Frage kritikwürdigen Regierung - dann zeigt das einmal mehr, dass sich Polen vom Bild eines demokratischen Rechtsstaats zunehmend entfernt. Als Regierungschef sind Sie dafür maßgeblich mitverantwortlich. Das heißt aber auch, dass Sie einen gewissen Einfluss darauf haben, ob es so weitergeht. Nutzen Sie diesen Einfluss, um die bedrohlichen Entwicklungen aufzuhalten, die in Ihrem Land gerade zu beobachten sind. Europa braucht Polen, aber nicht als das autokratische Regime, auf das Sie gerade zusteuern (auch wenn der Autokrat letztendlich nicht Sie selbst wären, das ist mir schon bewusst...), sondern als Teil einer Koalition gegen repressive und antidemokratische Regimes.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

taz.de: Sippenhaft - Polen deportiert Menschenrechtlerin nach Kiev

Bildquelle:

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