Freitag, 10. August 2018

Sehr geehrte Frau Grimmenstein,

Anti-Ceta-Demo in Berlin
ich möchte Ihnen an dieser Stelle einfach mal meinen tiefen Respekt aussprechen. Schon Ihre Bürger*innenklage gegen CETA - das inzwischen teilweise in Kraft getretene Freihandelsabkommen der EU mit Kanada - habe ich unterstützt und mitverfolgt. Ich finde es großartig, dass Sie als Privatperson so viel Engagement in diese Sache gesteckt haben und kann mir gar nicht ausmalen, wie viel Arbeit das gemacht haben muss. Der Erfolg der ganzen Aktion ist zwar noch nicht in seinem vollen Umfang bestimmbar, da die Klage auf Eis liegt, bis der Europäische Gerichtshof über eine Klage Belgiens gegen CETA entschieden hat; sicher ist aber, dass Ihr Engagement wesentlich dazu beigetragen hat, die Öffentlichkeit auf eklatante Mängel in CETA und anderen ähnlichen Abkommen aufmerksam zu machen und sogar das geplante Ratifizierungsverfahren sowie einige Inhalte des Vertrags zu ändern.

Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich gestern lesen durfte, dass mit der CETA-Bürger*innenklage keinesfalls das Ende Ihres Einsatzes gegen nach Konzernwünschen und entgegen wichtigen Bürger*inneninteressen designte Freihandelsabkommen erreicht ist. Kurz für alle Mitlesenden: Ihr neuer Vorstoß ist hier noch grundlegender als der erste, denn dieses Mal geht es nicht um ein bestimmtes Freihandelsabkommen (obwohl das JEFTA-Abkommen mit Japan aktuell wohl für die meisten Menschen das zentrale Problem darstellt), sondern um derartige Abkommen im Allgemeinen: Mit Ihrer neuen Petition auf change.org fordern Sie die (hierzu berechtigten) UN-Hilfsorganisationen wie z.B. die ILO, WHO und UNICEF auf, beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag ein Rechtsgutachten zu beantragen, dass die Vereinbarkeit von Vertragswerken mit der UN-Charta thematisiert. Der Internationale Gerichtshof soll also offiziell feststellen, dass Vertragswerke nicht gegen die UN-Charta verstoßen dürfen - schließlich steht in der Charta selbst, dass bei einem Konflikt zwischen einem Vertrag und der Charta letztere immer Vorrang habe. Ein solches Rechtsgutachten würde also dazu führen, dass z.B. auch Handelsverträge wie JEFTA auf Vereinbarkeit mit der UN-Charta geprüft werden und nicht vereinbare Teile gestrichen werden müssten. Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn die in Art. 55 und 56 festgeschriebenen Menschenrechte verletzt werden oder die Souveränität der Mitlgiedsstaaten - letzteres ist bei den sehr umstrittenen privaten Schiedsgerichten der Fall, die in vielen derartigen Verträgen vorgesehen sind, um Unternehmen die Möglichkeit zu geben, gegen aus ihrer Sicht "geschäftsschädigende" Gesetzgebung in Ländern, in denen sie aktiv sind, zu klagen.

Es gibt also die Möglichkeit, die Charta der Vereinten Nationen - auch gerne als ihre "Verfassung" bezeichnet - zu nutzen, um viele der aus sozialer und ökologischer Sicht fragwürdigen Inhalte von Freihandelsabkommen wie CETA oder JEFTA außer Kraft zu setzen. Eine schöne Möglichkeit auch, diesem Regelwerk wieder zu etwas mehr Relevanz zu verhelfen. Vielen Dank, Frau Grimmenstein, dass Sie uns darauf aufmerksam machen! Und dafür, dass Sie es dabei nicht bewenden lassen, sondern wieder einmal die Sache in die Hand nehmen.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

change.org: JEFTA & Co. in Den Haag STOPPEN [Petition + Infotext]
taz.de: Internationaler Gerichtshof soll JEFTA stoppen

Bildquelle:

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