Freitag, 27. Juli 2018

Sehr geehrter Herr Juncker,

hat man nur die Wortwahl des US-Präsidenten nach dem Treffen mit Ihnen vor Augen, man müsste Sie für einen Wundertäter halten. Von einem "großen Tag für den freien und fairen Handel" spricht Trump und vom Beginn einer "Phase von enger Freundschaft" - als hätte er die EU nicht noch vor Kurzem als "Feind" tituliert und mehrere Freihandelsabkommen platzen lassen, weil sie angeblich zum Nachteil der USA verhandelt worden waren. Wer ist dieser Mann, möchte man fragen, und was haben Sie mit Donald Trump gemacht?

Leider geht es in der Weltpolitik aber nicht nur darum, was Trump sagt, sondern auch darum, was er macht. Schaut man sich also mal an, was Sie eigentlich inhaltlich mit ihm vereinbart haben, so kühlt sich die Begeisterung schnell auf ein alltagsverträgliches Maß herunter.
Zunächst Ihr großer Erfolg: Autos aus der EU können vorerst weiter in die USA exportiert werden, ohne dass die angedrohten Steuern von satten 25% darauf erhoben würden. Die deutschen Autofabrikanten werden es Ihnen danken. Die Umwelt weniger, aber wie viel Umweltbelastung tatsächlich weggefallen wäre, wenn deutsche Autos teurer geworden wären, dürfte ja auch eher umstritten sein.
Probleme sind vor allem da zu finden, wo Sie Zugeständnisse machen mussten, um die Interessen der heimischen Automobilindustrie zu wahren: Die Ankündigung, mehr Sojabohnen aus den USA zu importieren ist - angesichts der schlechten Ökobilanz der Pflanze - zwar nicht erfreulich, aber verkraftbar, solange das nicht heißt, dass global gesehen mehr Soja angebaut wird. Wesentlich fragwürdiger ist die Zusage, künftig Flüssiggas aus den USA zu kaufen, um die "Energieversorgung zu diversifizieren". Erstens ist die Stärkung fossiler Energiequellen vor dem Hintergrund kaum noch zu erreichender Klimaziele eine extrem schlechte Idee. Zweitens wird das Flüssiggas mithilfe der Fracking-Technik gewonnen, die in den betroffenen Gebieten zu massiven Umweltschäden führen. So wird das Grundwasser vergiftet und die Erdbebenhäufigkeit steigt.
Darüberhinaus verfügen die EU-Staaten momentan gar nicht über die technischen Anlagen, die für den Import von größeren Mengen Flüssiggas nötig wären. Wir würden also Geld, das genausogut in den weiteren Ausbau der Gewinnung regenerativer Energien fließen könnte, dafür nutzen, die Infrastruktur zu schaffen, die Ölkonzernen hilft, einen weiteren umweltschädlichen Energieträger in Europa zu etablieren und damit indirekt die Zerstörung der Natur in Amerika kofinanzieren. Wie hört sich das an? Sind Sie stolz auf diese EU?

Jetzt könnte man einwenden, die Erfolge Ihrer Verhandlungen seien die Zugeständnisse wert, die Sie machen mussten - eine zynische Sichtweise, denn hier werden die wirtschaftlichen Interessen eines extrem umwelt- und damit menschenschädlichen Industriezweigs gegenüber dem Überlebensinteresse der gesamten Spezies Mensch bevorzugt behandelt. Selbst wenn man dieser kruden Logik folgen sollte, müsste die Schlussfolgerung jedoch abgelehnt werden: Die Zölle auf EU-Autos sind noch nicht vom Tisch. Sie sind nur für die Zeit weiterer Verhandlungen vorerst nicht in Kraft getreten. Trump hält sich weiterhin alle Möglichkeiten offen und dass er seine Meinung jeden Moment ändert und aus "Freunden", die eben noch "Feinde" waren, im Nullkommanichts wieder "Feinde" werden können, das sollte Ihnen inzwischen bewusst sein. Donald Trump fühlt sich an seine Zusagen nicht gebunden. Er hält sie ein, solange er sich einen Vorteil davon verspricht. Sobald die EU in Sachen Flüssiggas vollendete Tatsachen geschaffen hat, können die Strafzölle immer noch kommen. Vielleicht sogar früher, wenn Trump einfach wütend wird, weil die Wirtschaft nicht macht, was er sich gedacht hat. Sie haben also bis jetzt so gut wie gar nichts erreicht, dafür aber eine Menge Versprechungen gemacht, die die EU besonders in der Umwelt- und Klimapolitik mal wieder als kompletten Versager dastehen lassen. Wenn wir für jeden Schritt vorwärts immer zwei zurück machen, wann fangen wir dann endlich an, echten Klimaschutz zu betreiben? Und planen Sie überhaupt noch, beispielsweise das 2-Grad-Ziel zu erreichen? Es kommt mir nicht so vor.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

spiegel.de: Wie lange hält die Trump-Juncker-Bromance?
faz.net: Trump lobt Juncker und sich selbst

Bildquelle:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/a4/Jean-Claude_Juncker_7343.jpg/1920px-Jean-Claude_Juncker_7343.jpg
(c) J. Patrick Fischer (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode)

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