Freitag, 13. Juli 2018

Sehr geehrter Herr Kickl,

© Parlamentsdirektion / WILKE
gestern waren Sie als österreichischer Innenminister Gastgeber des Treffens der europäischen Innenminister*innen in Innsbruck. Mal wieder ging es um die Geflüchtetenpolitik und mal wieder wurde nicht über Hilfe für Hilfsbedürftige gesprochen, sondern darüber, wie man sie möglichst effizient fernhält. "Schutz der EU-Außengrenzen" hieß das große Thema und natürlich haben Sie als FPÖ-Politiker da ein paar Vorschläge parat.

Die Stärkung der europäischen Grenz-"schutz-"agentur Frontex war scheinbar allgemeiner Konsens. Auch die Schaffung der sogenannten "Ausschiffungszentren" - also Lagern außerhalb der EU, in denen auf dem Mittelmeer aufgegriffene Geflüchtete interniert werden, bis einigen von ihnen die Einreise erlaubt wird - scheint unumstritten zu sein. Glücklicherweise ist das bislang noch eine leere Drohung, da es kein Nicht-EU-Land gibt, das sich zur Schaffung solcher Zentren bereiterklärt hätte.

Was an diesen Maßnahmen ganz klar abzulesen ist: Bei der Debatte um Geflüchtete geht es längst nicht mehr darum, Hilfsbedürftigen diese Hilfe auch zukommen zu lassen. Vielmehr ähnelt die Darstellung der Situation sowie der geforderte Maßnahmenkatalog eher der Reaktion auf eine drohende Umweltkatastrophe. Es wird das Bild einer entpersonalisierten Masse gezeichnet, die sich auf Europa zubewegt und die, koste es, was es wolle, aufgehalten werden muss. Die "Sicherung" der EU-Außengrenzen erinnert an Deichbau - nur das niemand darüber reden will, dass es dem Wasser, das bei einer Flut die Küste überschwemmt, nicht wehtut, wenn es irgendwo nicht weiterkommt. Den Menschen, die kurz vor erreichen der EU in Lagern konzentriert werden (über diese Terminologie kann man ruhig einen Moment lang nachdenken...), wird durch diese Maßnahmen aber zusätzliches Leid zugefügt.

Dass Ihnen und Ihren Bundesgenossen Seehofer und Salvini Hilfeleistung für Verfolgte und Bedrohte Menschen ganz egal ist, sieht man besonders deutlich an den Vorstellungen, die Sie vor einigen Tagen verbreitet haben: Zunächst wollen Sie die Möglichkeit, innerhalb der EU Asyl zu beantragen, für fast alle Geflüchteten abschaffen. Nur Menschen aus den direkten Nachbarländern der EU sollen das dürfen und generell sollen Geflüchtete aus Krisenregionen vor allem in den unmittelbaren Nachbarländern aufgenommen werden (zu Ihrer Information: Das ist bereits der Fall!). Eine Möglichkeit, außerhalb der EU Asyl in der Union zu beantragen - beispielsweise in der Botschaft eines Mitgliedsstaats oder in einem der geplanten "Ausschiffungszentren", wollen Sie aber auch nicht schaffen. Stattdessen soll es Kommissionen geben, die die "Schutzbedürftigsten" aus diesen Lagern auswählen, denen dann die Einreise gestattet wird.

Schon der Begriff der "Schutzbedürftigsten" zeigt, was das ganze bewirken soll: Die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. Dieses Grundrecht würde nämlich eigentlich heißen, dass alle Schutzbedürftigen aufgenommen werden müssen, weil durch die Schutzbedürftigkeit ein Rechtsanspruch auf Hilfe entsteht. Werden nur diejenigen hereingelassen, deren Schutzbedarf am höchsten erscheint, dann bleiben automatische viele Menschen, die dieses Schutzes ebenfalls bedurft hätten, ungeschützt. Auch ist bedenklich, dass durch die vorgelagerte Asylentscheidug durch "Kommissionen" der Rechtsweg in Asylfragen außer Kraft gesetzt wird. Ein "Grundrecht" auf Asyl muss einklagbar sein, sonst verstoßen wir gegen die rechtsstaatlichen Prinzipien, denen sich die Länder der Europäischen Union verpflichtet haben.

Der einzige gute Ansatz in Ihrem Vorschlag ist, dass Menschen nicht den gefährlichen Weg übers Mittelmeer auf sich nehmen müssen, um eine Chance auf Hilfe zu bekommen. Ohne das Recht, so früh wie möglich auf ihrer Flucht Asyl in der EU zu beantragen, ist diese Möglichkeit jedoch wertlos. Die Methode, sich als gnädige EU die genehmsten Geflüchteten herauszupicken und die anderen von teils autokratischen Regimen in Lagern bewachen zu lassen, ist so falsch und unmenschlich, wie etwas nur sein kann.

Natürlich kann ich von Ihnen als Vertreter einer klar rechtspopulistischen Partei nicht viel Einsicht erwarten. Ich versuche es trotzdem: Herr Kickl, überdenken Sie Ihre Positionen in der Geflüchtetenpolitik! Denken Sie daran, wie viele Menschenleben durch die von Ihnen geforderten Maßnahmen zunichte gemacht und wieviele zu einem Leben unter unmenschlichen Bedingungen verurteilt werden würden. Europa hat das Potential, viel mehr Menschen in Not zu helfen - wenn wir uns nur dazu entschießen können, unsere europäische Solidaritätskrise gemeinschaftlich zu beenden, statt in jedem ankommenden Geflüchteten das Ende des Abendlandes und den kollektiven Staatsbankrott zu sehen.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

derstandard.at: Deutschland, Österreich und Italien nun für "Kooperation der Tätigen" in Asylpolitik
welt.de: Österreichs Innenminister will keine Asylanträge mehr in der EU

Bildquelle:

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