Freitag, 28. September 2018

Sehr geehrter Herr Hartmann,

erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum neuen Vorsitzenden der sächsischen Landtagsfraktion! So viel Anstand muss sein...
Ich bin mir sicher, für Sie ist diese Wahl ein großes Erfolgserlebnis - immerhin haben Sie den Wunschkandidaten des Regierungschefs ausgestochen (ein Vorgang, der in CDU-Fraktionen zur Gewohnheit zu werden scheint, siehe Bundesebene...). Für viele andere ist sie jedoch das genaue Gegenteil und das liegt an den Positionen, die Ihnen mutmaßlich geholfen haben, die Wahl zu gewinnen.

Michael Kretschmer - was man auch für berechtigte Kritik an ihm haben mag - hat bisher zumindest an einer Sache immer festgehalten: Nach den Landtagswahlen im nächsten Jahr wird es keine Koalition der CDU mit der AfD geben. Dass diese Haltung in der sächsischen CDU nicht unumstritten ist, war bekannt. Dass aber nun der Kandidat des Ministerpräsidenten, Herr Mackenroth, bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden durchfällt und stattdessen jemand wie Sie gewählt wird, der sich die Möglichkeit einer Koalition mit der AfD auch auf Nachfrage ausdrücklich offen hält, damit haben wohl die Wenigsten gerechnet.

Eigentlich ist die sächsische CDU schon rechts genug. Wer wertkonservative Politik will, wählt in Sachsen eher SPD als CDU. Nicht zuletzt auch der Hang von Ministerpräsident Kretschmer, die AfD durch Nachahmung bezwingen zu wollen, legt eigentlich weniger eine Koalition, sondern vielmehr eine Fusion der beiden Parteien nahe.
Und das ist auch schon das große Problem: Im Grunde wissen Sie doch schon gar nicht mehr, wogegen Sie eigentlich kämpfen sollen, wenn Sie die AfD zum "politischen Hauptgegner" erklären - die Differenzen Ihrer Parteien sind zu klein. Schon bei der Bundestagswahl hatte die AfD Ihre CDU in Sachsen überholt. Wenn Sie verhindern wollen, dass die sächsische Union ab 2019 immer mehr zu einem Anhängsel der AfD wird und irgendwann vielleicht dieselbe unbedeutende Rolle an ihrer Seite einnimmt, die die FDP lange Zeit auf Bundesebene im Verhältnis zur CDU wahrnahm, dann müssen Sie nicht Nähe und Zusammenarbeit, sondern die Abgrenzung suchen. Nur wenn Sie die Unterschiede Ihrer Partei zur AfD betonen kann es gelingen, diese wieder zurückzudrängen. Das Herausstreichen von Gemeinsamkeiten, gar die Möglichkeit einer Zusammenarbeit in einer Koalition - das hilft nur der AfD. Wer deren Positionen will, wird auch AfD wählen und nicht etwa eine AfD-nahe CDU.

Leider scheint Ihre Position aber in der sächsischen CDU (bzw. in der CDU-Landtagsfraktion) durchaus mehrheitsfähig zu sein. Vom Schicksal der CSU, die ebenfalls schon seit einiger Zeit versucht, die AfD zu kopieren und in den Umfragen so schlecht da steht, wie noch nie, lassen sich Ihre Kolleg*innen offenbar nicht belehren. Die einzige Erklärung, die mir dafür einfällt, ist die, dass eine Mehrheit CDUler*innen im sächsischen Landtag nicht aus wahltaktischen Gründen so handelt (was ja erst mal sympathisch klingt), sondern tatsächlich so stramm rechts ist, dass ihnen der AfD-Schmuddelfaktor egal ist, solange sie einen Koalitionspartner haben, mit dem sie die Grenzen dichtmachen, Geflüchtete einknasten und den Polizeistaat ausrufen können (was sich überhaupt nicht mehr sympathisch anhört). Menschenfeindliche Politik, wir merken es hier, ist nicht allein eine Sache der AfD. Wenn Sie das anders sehen - oder wenigstens den Eindruck erwecken wollen, sie sähen es anders - sollten Sie sich das mit der AfD-Koalition nochmal überlegen.

Mit freundlichen Grüßen

HG


Der Hintergrund:

zeit.de: Sachsens CDU-Fraktionschef schließt Koalition mit AfD nicht aus
mdr.de: CDU-Fraktionschef Hartmann schließt künftige Koalition mit AfD nicht aus

Bildquelle:

https://www.christian-hartmann.eu/fileadmin/user_upload/Dateien/BILDER/2_Politiker/privat_hartmann.jpg

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