Freitag, 5. Oktober 2018

Sehr geehrter Herr Schmitz,

als Vorstandvorsitzender der RWE AG gehört Skepsis in Bezug auf neue Technologien, insbesondere auf erneuerbare Energien ja zur Jobbeschreibung. Insofern verwundert es nicht, dass Sie feste Daten für den Ausstieg aus der Kohleverstromung grundsätzlich ablehnen und die Kohle sogar noch für Jahrzehnte als Brückentechnologie für unerlässlich halten. Andererseits lassen Sie auch (fast) nichts unversucht, um den Eindruck zu erwecken, RWE sei gar nicht der fest im Vorgestern verhaftete Kohlekonzern, sondern ein zukunftsorientiertes Unternehmen, das soziale und ökologische Aspekte ernst nehme und gerade im Bereich Klimaschutz zu den Vorreitern zähle.

Gerade in diese letzte Erzählung will aber Ihre Strategie beim Streitpunkt Hambacher Forst überhaupt nicht passen. Wenn Ihnen, wie Sie behaupten, bewusst ist, dass die Zukunft unserer Energieversorgung nicht in der Kohle liegt, wenn sie die Energiegewinnung aus Braunkohle lediglich als Brückentechnologie ansehen - warum bestehen Sie dann auf der Abholzung des Hambacher Forsts? Längst haben Umweltschützer*innen Konzepte erarbeitet, wie der Tagebau Hambach noch mehrere Jahre lang weiter Kohle fördern könnte, ohne dass der Wald dafür weichen müsste - schließlich sind es noch ein paar hundert Meter von der Abbruchkante bis zum Waldrand. Wenn zusätzlich die Möglichkeiten ausgeschöpft würden, das Potential des Tagebaus durch schmalere Sohlen auch in der Tiefe besser auszuschöpfen, stünden wir, wenn man Berechnungen des BUND und Zahlen von RWE zugrunde legt, frühestens in 5-10 Jahren vor der Frage, ob der Hambi weiter gerodet werden soll. Die Zulassung des Hauptbetriebsplans des Tagebaus Hambach legt fest, dass frühestens 3 Jahre vor der tatsächlichen Nutzung des Geländes gerodet werden darf. Wie passt das mit Ihren Plänen zusammen?
Momentan werkelt die Kohlekommission an einem Ausstiegsdatum. Es ist also absehbar, dass der Abbau von Braunkohle im aktuellen Umfang nicht mehr lange Bestand haben wird. Wer sagt denn, dass wir in 5-10 Jahren überhaupt noch einen so großen Bedarf an Kohle haben, dass dieser die Abholzung des letzten Rests eines 12.000 Jahre alten Waldes rechtfertigen würde? Die Chancen stehen gar nicht schlecht, dass der benachbarte Tagebau Gartzweiler in ein paar Jahren ausreicht, um den Bedarf an Braunkohle zu decken. Es kann also durchaus sein, dass hier völlig unnötig gerodet wird.

Natürlich ist Ihnen das alles bewusst. Sie beschäftigen sich den ganzen Tag mit der Zukunft von RWE und dadurch auch mit der Zukunft der Kohle. Ihren dringenden Wunsch, den Hambacher Forst wegzubekommen, kann ich mir daher nur so erklären: Sie wissen, dass es gegen die Rodung Widerstand geben wird, egal, wann sie stattfindet. Sie wissen auch, dass in ein paar Jahren die Argumente für eine Rodung mit einiger Wahrscheinlichkeit wesentlich schwächer sein werden. Drittens können Sie sich denken, dass ein guter Teil der Leute, die jetzt für den Erhalt des Hambi demonstrieren, sich kaum noch beteiligen würden, wenn das Gelände erst einmal gerodet wäre und es nur noch darum ginge, ob ein paar weitere hundert Meter flaches Gelände dem Tagebau einverleibt werden. Deshalb wollen Sie jetzt, wo sie noch die Möglichkeit haben, "zwingende" Gründe für die Rodung zu behaupten, auf Vorrat roden, damit Sie später ohne allzugroße Widerstände weiter Kohle abbauen und verfeuern können. Es geht darum, dass Ihre Kohlekraftwerke nicht als erste vom Netz müssen, wenn der Ausstieg kommt, weil bei den Kraftwerken in der Nähe - zwei der größten (und schmutzigsten) Braunkohlekraftwerke Europas - zumindest die Versorgung gesichert ist. Kurz: Es geht darum, noch ein paar weitere Jahre mit der Kohle Geld verdienen zu können, bevor das endgültig vorbei ist.
Mit so einer Taktik machen Sie sich aber nicht zum Vorreiter in Sachen Klima- und Umweltschutz ("voRWEg gehen" und so...), sondern sowohl symbolisch als auch real zum Verteidiger einer schädlichen und bereits im Sterben begriffenen Industrie, der den eigenen kurzfristigen Vorteil über das langfristige Wohl aller stellt. Es mag Ihnen zwar logisch vorkommen, auch beim Klimawandel mit Kosten-Nutzen-Rechnungen zu kommen, aber diese Rechnung ist fehlerhaft. Es gibt bereits Menschen, die so hohe Kosten des Klimawandels tragen, dass jede Summe, die Sie dagegensetzen, ein Witz ist. Deshalb ist es so wichtig, Treibhausgasemissionen nicht dann zu senken, wenn es aus ökonomisch-finanzieller Hinsicht gerade opportun erscheint, sondern so schnell wie möglich!

Die Rodung des Hambacher Forsts wurde nun vom Oberverwaltungsgericht Münster vorübergehend untersagt. Erst muss über eine Klage des BUND gegen den Hauptbetriebsplan des Tagebaus entschieden werden. Der BUND geht davon aus, dass eine Rodung in dieser Rodungsperiode damit vom Tisch ist. Nächstes Jahr dürfte der ganze Zirkus dann aber von vorne losgehen. Das gibt Ihnen genug Zeit, sich die ganze Sache noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Sie brauchen den Hambi nicht zu roden. Auch so haben Sie noch einige Jahre, um RWE der Energiewirtschaft der Zukunft anzupassen. Einen Anfang haben Sie doch mit dem Tauschgeschäft mit Eon schon gemacht, das Ihnen wieder ein richtiges Standbein in den erneuerbaren Energien verschaffte. Warum nicht mit ganzer Kraft an dieser Stelle weiterarbeiten, statt die Energie darauf zu verschwenden, sich mit lebensverlängernden Maßnahmen für eine sterbende Technologie unbeliebt zu machen?

Mit freundlichen Grüßen

HG


Der Hintergrund:

zeit.de: Gericht verfügt vorläufigen Rodungsstopp
rp-online.de: "Ein Kohleausstieg bis 2030 ist nicht zu schaffen"
vdi-nachrichten.com: "Der Kohleausstieg geschieht von selbst"
bund-nrw.de: Zeithorizonte Tagebau Hambach


Bildquelle:

https://www.group.rwe/-/media/RWE/images/05-investor-relations/TIC01-rolf-martin-schmitz.jpg?db=web&mw=1280&w=2160&hash=82E6D2194781D7C36F3E69D9A25B662AD53538D2

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