Freitag, 26. Oktober 2018

Sehr geehrter Herr Bouffier,

wenn man Ihnen zuhört, merkt man Ihnen deutlich an, dass Ihnen gerade die Felle wegschwimmen. Ein bisschen Mitleid macht sich da schon breit: Schließlich stimmt in Ihrem Falle wahrscheinlich wirklich, was die CSU in Bayern völlig ungerechtfertigt zur Ursache ihres Scheiterns erklärt hat: Dass die Ursachen für die prognostizierten herben Stimmenverluste Ihrer Partei zumindest zu einem relevanten Teil nicht im Land, sondern in der Bundespolitik zu suchen sind, wo sich gerade die beiden Unionsparteien in den letzten Monaten ein absolut unwürdiges Gezänk geliefert haben und auch durch die CDU selbst ein tiefer Riss geht. Die Union kommt so schwach und zerstritten wie selten daher und dass es in der GroKo mit der Koalitionspartnerin SPD ebenfalls ständig knirscht und kriselt, hilft der ganzen Sache auch nicht weiter. Als Folge steht jetzt Ihre Zukunft als Regierungschef Hessens auf dem Spiel - fair ist das nicht, das sehe ich ein.

Bei allem Frust und allen Befürchtungen, die sich in Ihnen stauen müssen, sollte man jedoch trotzdem einen gewissen Stil wahren. Ihr jüngstes Verzweiflungsmanöver lässt diesen aber nicht erkennen. Es wirkt einfach nur billig.
Ängste vor einer rot-rot-grünen (oder grün-rot-roten) Regierungskoalition zu schüren war schon immer ein beliebtes Mittel von Unionspolitiker*innen, missliebige Mehrheiten zu drehen. "Die Linken", so heißt es dann, seien ja gar nicht in der Lage, zu regieren. Sie hätten keine Ahnung von der Wirtschaft, würden das Land in ihrer sozialromantischen Verblendung nur verschulden und am Ende gebrochen zurücklassen. "Vom ersten Tag an", so behaupteten Sie jüngst, werde ein Linksbündnis Hessen Arbeitsplätze kosten. Außerdem werde die Bildung ideologisiert, nur mit der (natürlich völlig ideologierfreien) CDU als Senior-Regierungspartnerin könne Hessen eine gute Zukunft haben, so der Tenor.

Nun ist das mit der Ideologie ja so eine Sache. Nicht wenige Linke würden wohl Ihre Politik als - zumindest in Teilen - ideologiegeleitet bezeichnen. Das Argument verfängt nicht, weil die Frage nach Ideologie oder Nicht-Ideologie in politischen Äußerungen meist nur daran festgemacht wird, was man selbst für richtig hält - alles andere ist dann halt ideologisch.

Dann gehen sie davon aus, dass die einzige Alternative zu einer Regierungsbeteiligung der CDU ein Linksbündnis sei. Das stimmt aber nicht. Auch eine Ampel wäre denkbar. Aber die ganze Sache auf CDU gegen die roten Socken zu reduzieren ist für Sie natürlich bequemer...

Als nächstes muss ich Sie fragen: Wenn dieses "Linksbündnis" so furchtbar wäre, wie kommt es dann, dass Sie mit einer dieser Parteien weitestgehend skandal- und stressfrei zusammen regieren und vor Kurzem noch verlautbaren ließen, diese Koalition gerne fortführen zu wollen? Wie kommt es, dass Ihre Partei mit der zweiten dieser Parteien auf Bundesebene koaliert und das schon seit Jahren? Ist die SPD eigentlich ganz in Ordnung, aber die hessischen Genossen sind eine diabolische Ausnahme? Oder gilt Ihr Misstrauen eigentlich nur der Linkspartei? Und trauen Sie SPD und Grünen so wenig zu, dass Sie davon ausgehen, dass sie sich bei einem Stimmenverhältnis von (laut aktuellen Umfragen voraussichtlich etwa) 4:1 innerhalb der Koalition von der Linkspartei unterbuttern lassen würden (wenn diese denn so schrecklich wäre, wie Sie sie offenbar darstellen wollen)?

An dieser Angstkampagne stimmt so gut wie nichts, aber sie ist eben ein bewährtes CDU-Mittel. Es bleibt zu hoffen, dass sie dieses Mal nicht verfängt. Momentan sieht es ganz gut aus. Sie sollten sich nicht darauf verlassen, dass ein bisschen Polemik gegen den politischen Gegner auf den letzten Metern noch Ihre Probleme löst. Ihre Partei bleibt im umfragemäßigen Sinkflug, und das bundesweit. Vielleicht, weil sich die Parteichefs auf Bundesebene streiten. Vielleicht aber auch, weil das Modell der Volkspartei - wie in letzter Zeit immer wieder geunkt wird - tatsächlich ein Ablaufdatum hat.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:
epochtimes.de: Bouffier sieht Linksbündnis in Hessen als "programmierten Abstieg"

Bildquelle:
https://www.volker-bouffier.de/data/images/2017/05/09/3-5911d08160400.jpg
Bild: Laurence Chaperon

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