Mittwoch, 25. Januar 2017

Sehr geehrter Herr Gabriel,

Bild: www.sigmar-gabriel.de, (c) Dominik Butzmann
herzlichen Glückwunsch! Doch, das meine ich ganz ernst. Glückwunsch zu einer guten, einer richtigen Entscheidung. Und Glückwunsch dazu, dass Sie sich diese Entscheidung nicht vom eigenen Geltungsdrang haben diktieren lassen, sondern dass sie hier einfach dem aussichtsreicheren Kandidaten den Platz geräumt haben.
Ich will ehrlich sein, ich war nie ein großer Fan von Ihnen. Ihre Version einer Arbeiterpartei (das sollte die SPD doch mal sein, oder?) hat sich für meinen Geschmack immer etwas zu sehr an die Arbeitgeber rangekuschelt, an die großen Wirtschaftsunternehmen. Gerade Ihre Haltung, Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP mit aller Vehemenz zu verteidigen - trotz Massenprotesten überall in der EU - hat mich sehr gegen Sie eingenommen. Wenn diese Abkommen unterm Strich tatsächlich vorteilhaft für den durchschnittlichen SPD-Wähler sind, warum dann nicht dafür streiten, dass alle Verhandlungstexte offengelegt, öffentlich erklärt und diskutiert werden? Nichts hat dem Ansehen dieser Abkommen so sehr geschadet und das Misstrauen gegen sie so sehr geschürt wie die ständige Geheimniskrämerei.
Doch zurück zum Thema. Ich habe also nie besonders viel Sympathie für Sie und Ihre Politik empfunden, selbst der gereckte Mittelfinger richtung braun konnte das nicht wieder wettmachen. Heute allerdings muss ich Ihnen meine Achtung aussprechen.
Es kann nicht einfach für Sie gewesen sein, sich einzugestehen, dass Sie als Kanzlerkandidat gegen Angela Merkel keine Chance hätten. Die Umfragewerte sind nicht schwer zu verstehen, aber sich damit abzufinden ist sicher schwer, gerade, wenn man es im Machtgefüge einer Partei und eines Staates so weit gebracht hat wie Sie. Dass Sie in der Lage waren, die Fakten zu erkennen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, obwohl das hieß, eine eigene Schwäche anzuerkennen, zeugt in meinen Augen - auch wenn es paradox klingt - von Stärke.
Auch Martin Schulz wird aller Voraussicht nach nicht Kanzler werden. Schließlich kann er sich bundespolitisch bis zur Wahl kaum profilieren und sein schieres Auftauchen wird das SPD-Ergebnis nicht verdoppeln. Aber Schulz wird ja nicht nur Kanzlerkandidat, er wird auch Parteivorsitzender. Vielleicht gelingt es ihm (auch mit Ihrer Hilfe), die SPD in den nächsten Jahren auch für Leute wie mich wieder zu einer wählbaren Partei zu machen. Wenigstens ein erster Schritt in diese Richtung könnte die kommende Bundestagswahl sein.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sigmar-gabriel-uebergibt-an-martin-schulz-rumms-a-1131586.html
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-01/sigmar-gabriel-spd-bundestagswahl-kanzlerkandidatur-verzicht

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen