Freitag, 5. Mai 2017

Sehr geehrte Frau von der Leyen,

die größten Fragen zum Fall Franco A. wurden schon dutzendfach gestellt. Wie kann es sein, so fragen Politik, Presse und Zivilgesellschaft unisono, dass die rechtsextreme Gesinnung eines Bundeswehrsoldaten über Jahre nicht erkannt wird, obgleich seine Masterarbeit wegen völkischer Inhalte abgelehnt wird? Wie kann ein solcher Mensch sich als Flüchtling ausgeben und auch noch als solcher anerkannt werden? Erst bei den unmittelbaren Vorbereitungen eines geplanten Terroranschlags, den der Oberleutnant mithilfe seiner zweiten Identität Flüchtlingen in die Schuhe schieben wollte, ist die Sache aufgeflogen.

Nun gut, wollen wir mal fair sein: Die Anerkennung als Flüchtling fällt nicht in Ihren Verantwortungsbereich. Dafür können weder Sie noch Ihre Untergebenen etwas und mir ist tatsächlich nicht ganz klar, warum sich bislang die gesamte Kritik der Öffentlichkeit an Sie richtet.

Auf der anderen Seite muss man sagen, dass die Früherkennung extremistischer Neigungen in der Bundeswehr tatsächlich in Ihrer Verantwortung liegt. Was Sie nun als "falsch verstandenen Korpsgeist" bezeichnen ist kein neues Phänomen. Auch andere Missstände in der Truppe, etwa menschenrechtswidrige Behandlung von Soldaten durch Vorgesetzte oder Kameraden, werden im Vergleich dazu, wie oft sie vorkommen, nur sehr selten gemeldet. Das gab es vermutlich auch schon unter Ihren Vorgängern und auch die große Anziehungskraft, die die Bundeswehr auf Menschen aus dem rechten Spektrum ausübt, ist keineswegs erst vorhanden, seit Sie Verteidigungsministerin sind.

Sie sind also nicht die Einzige, die diesen Problemen keinen Riegel vorgeschoben hat. Sie sind nur die letzte in einer ganzen Reihe von Verteidigungsministern und eben die, bei der ein solcher Fall von Rechtsterrorismus auftaucht. Ich möchte aber auch daran erinnern, dass Sie bereits fast dreieinhalb Jahre Zeit hatten, die Truppe umzukrempeln. In dieser Zeit haben Sie ein paar teure Anschaffungen getätigt und eine Erhöhung Ihres Etats herausgehandelt. Die echten Probleme haben Sie aber nicht in den Griff bekommen. Natürlich hat das auch vor Ihnen keiner, aber das macht Sie auch nicht zu einer guten Ministerin, sondern allenfalls zu einer, die auch nicht schlechter ist als die anderen.

Ihre Worte lassen erahnen, dass Sie zumindest eines der drängenden Probleme erfasst haben: Den Umstand, dass die sogenannte Kameradschaft für viele in der Bundeswehr über den Gesetzen und auch über den Menschenrechten steht. So schwierig das sein mag und so widersinnig das in einer Truppe klingt, die auf Disziplin und Gehorsam angewiesen ist: Die Bundeswehr muss etwas mehr Individualismus zulassen, damit auch das individuelle Gewissen eine Rolle spielen kann und Rechtsbrüche innerhalb der Truppe ebenso wie extremistische Verdachtsmomente gemeldet werden. Jedenfalls, wenn sie nicht in kürzester Zeit als Sammelbecken für rechtsextreme Waffennarren bekannt sein soll.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

tagesschau.de: Kritik an von der Leyen - In der Schusslinie
Zeit Online: Ursula von der Leyen - Kampf dem Korpsgeist

Bildquelle:

http://www.ursula-von-der-leyen.de/img/gallery/18.jpg

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