Freitag, 16. Juni 2017

Sehr geehrter Herr de Maizière,

den Leuten beim Verfassungsschutz muss der neueste Plan von Ihnen und den Innenministern der Bundesländer wie reiner Hohn vorgekommen sein. Sicherlich hat sich der eine oder andere Geheimdienstler erstmal gefreut, als Sie verkündeten, eine Überwachung von Messenger-Diensten wie WhatsApp künftig in allen Fällen erlauben zu wollen, wo auch eine Überwachung von Telefonaten möglich wäre. Diese Freude dürfte jedoch rasch verflogen sein, als den genannten Agenten wieder einfiel: Überwachen gerne, aber wie?

Grundsätzlich ist es ja schon deutlich schwieriger, einen WhatsApp-Chat mitzulesen, als SMS oder ein Telefonat abzufangen. Letztere kann man einfach bei der Übertragung abgreifen. Die meisten Messenger übertragen ihre Daten inzwischen jedoch verschlüsselt. Um also an die Texte zu kommen, muss man sie vor der Verschlüsselung direkt auf dem Smartphone auslesen, eine sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ). Dafür braucht es also eine spezielle Spähsoftware, einen Trojaner, der auf dem Handy installiert ist. Ihn dahin zu bekommen ist schon mal die erste Herausforderung. Wenn der Nutzer nicht so blöd ist, auf jeden unbekannten Anhang einer Spam-Mail zu klicken und man nicht das Glück hat, das Gerät bei irgendeiner Routinekontrolle selbst in die Finger zu kriegen bleibt eigentlich nur, auf das baldige Bekanntwerden einer Softwareschwachstelle zu hoffen und sich die Information noch vor dem Entwickler illegal zu beschaffen.
So weit, so umständlich. Hat man sich nun aber für einen vielversprechenden Weg auf den Speicher des terrorverdächtigen Geräts entschieden, stößt man auf ein noch viel größeres Hindernis:
Bis jetzt weiß keiner, wie man Messengerdienste überwacht.

Weder Verfassungsschutz noch BKA haben überhaupt die passenden Instrumente für eine solche Überwachung. So fehlt zum Beispiel weiterhin ein Trojaner, der überhaupt geeignet wäre, auf mobilen Geräten installiert zu werden. Der aktuelle Bundestrojaner kann nur Skype und E-Mails, und die auch nur auf einem PC. Sie erlauben den Behörden also etwas, was sie gar nicht umsetzen können.

Ihre Pläne, Herr de Maizière, könnte man jetzt also als hohle Wahlkampfsymbolik abtun - wenn da nicht noch eine Kleinigkeit wäre, die das Ganze doch noch gefährlich macht: Bislang ist die Quellen-TKÜ ausschließlich zur Gefahrenabwehr erlaubt. Bei dem Verdacht eines bevorstehenden Terroranschlags oder Mordes kann die Methode also Anwendung finden. Sie sprechen nun aber davon, "rechtsfreie Räume" bei der Verfolgung von Straftaten zu schließen. Damit weichen Sie die zurecht strengen Vorgaben für eine Quellen-TKÜ auf, die eigentlich dafür da sind, einen Missbrauch dieser Mittel zu vermeiden.
Dass diese Änderung mit der Terrorbekämpfung nichts zu tun hat, weil die Quellen-TKÜ ja zur Terrorabwehr längst zulässig war, hält Sie nicht davon ab, das Ganze als eine wichtige Maßnahme gegen den Terror hinzustellen. Sie nutzen die Ängste, die in der Bevölkerung durch die zahlreichen Anschläge in Europa in letzter Zeit entstanden sind, um Punkte Ihrer Agenda durchzubringen, die mit Terrorabwehr nichts zu tun haben!

Herr de Maizière, bitte unterlassen Sie solche Spielchen. Sie sind Regierungsvertreter einer mündigen Bevölkerung, die selbst entscheiden kann, welche Sicherheitsmaßnahmen für sie wichtig sind - vorausgesetzt, sie wird nicht durch Falschinformationen in die Irre geführt.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

Zeit online: Thomas de Maizière - Innenminister einigen sich auf Überwachung von WhatsApp
taz.de: BKA will WhatsApp ausspähen - Sie können es einfach nicht

Bildquelle:

https://www.thomasdemaiziere.de/files/tdm/content/Mediathek/Bilder/_HRP3524.jpg

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