Freitag, 9. Juni 2017

Sehr geehrter Herr Erdoğan,

langsam wird deutlich, dass Sie nicht mehr so richtig wissen, wohin mit sich. Es ist ja auch schwierig, wenn einem ohnehin gerade die internationale Unterstützung wegbröckelt und sich dann noch wichtige Partner - in diesem Fall die USA und Saudi-Arabien auf der einen und Katar auf der anderen Seite - miteinander verkrachen. Allerdings muss man sagen, dass Sie persönlich vermutlich auf mehr weltweites Wohlwollen bauen könnten, wenn Sie nicht dauernd damit beschäftigt wären, Journalisten, Oppositionelle und alle anderen, die Ihnen nicht passen, einzusperren, fremde Völker und Staatsoberhäupter zu beleidigen und sich dabei noch als Verteidiger der Türkei gegen die Aggressionen der restlichen Welt aufzuspielen. Just saying.

Jetzt ist Saudi-Arabien also sauer auf Katar und hat sich von Mr. Trump den Segen für Wirtschaftssanktionen geholt, offiziell, weil Katar mit seinen Ölmilliarden Terrorgruppen finanziert (was Saudi-Arabien niemals tun würde!), aber in Wirklichkeit wohl auch, weil Katar noch diplomatische Beziehungen zum bösen(!) Iran Unterhält. Wie allgemein bekannt ist sind diplomatische Beziehungen ja Gift für die Lösung von Problemen zwischen zwei Staaten.
Jedenfalls unterstützen die USA die Saudis, weil die für teueres Geld "wunderschöne Waffen" kaufen und sich mit den USA zu überwerfen ist für Sie keine besonders gute Idee, weil... naja, Weltmacht, NATO-Partner und so...
Leider ist Katar, obwohl es doch so klein ist, eines der reichsten Länder der Welt, das auch noch mit kräftigen Öl- und Gaslieferungen winken kann, also Unabhängigkeit von russischen Öllieferungen verspricht. Außerdem war schon lange eine Verlegung von mehr Truppen in das kleine Golfemirat geplant. Was also tun?

Sie haben sich dafür entschieden, die Truppenaufstockung trotz allem durchzuführen. (Dass dies durch einen Parlamentsbeschluss am Mittwoch bestätigt wurde ist nebensächlich, denn was hat denn das Parlament schon zu sagen? Na bitte.) Weiterhin sollen auch die vereinbarten gemeinsamen Übungen, die Waffenexporte und das Truppenausbildungszentrum in Katar umgesetzt werden. Außerdem kritisieren Sie Saudi-Arabiens vorgehen und bieten sich als Vermittler an.
Dass die Rolle eines Vermittlers nicht so gut zu jemandem passt, der gerade dabei ist, eine der Konfliktparteien aufzurüsten, brauche ich Ihnen ja wohl nicht zu erklären. Dass es noch viel weniger zu jemandem passt, der regelrecht Spaß an Eskalationen zu haben scheint, ist nur noch das Sahnehäubchen. Sie haben den Konflikt von Saudi-Arabien und Katar - und damit indirekt auch den Konflikt von Saudi-Arabien und dem Iran - noch befeuert.

Ich bin schon gespannt, was die USA und namentlich deren Präsident Trump dazu zu sagen - respektive twittern - hat. Vielleicht haben Sie ja Glück und er überlegt sich die ganze Sache nochmal anders. Zum Beispiel in dem Moment, in dem Trump einfällt, dass auch die Amerikaner eine Militärbasis mit 10.000 Soldaten in Katar haben, ihre größte in der Region...

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

Spiegel Online: Die Türkei in der Katar-Krise - Plötzlich Schlichter
Tagesschau.de: Krise in der Golfregion - Türkei steht zu Katar - auch militärisch

Bildquelle:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/10/Recep_Tayyip_Erdogan_2017.jpg

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