Freitag, 21. Juli 2017

Sehr geehrter Herr Kretschmann,

ich weiß schon, Sie sind Ministerpräsident des Autolandes Baden-Württemberg. Sie machen sich Sorgen um die heimische Industrie, ganz klar, aber nebenbei sind Sie auch der bislang einzige grüne Ministerpräsident überhaupt und da sollte man doch erwarten, dass auch grüne Vorstellungen in Ihren verkehrspolitischen Erwägungen einen Platz haben, oder?

Nun gut, zurück zum Anfang. Stuttgart erstickt in Abgasen. Okay, das ist vielleicht ein bisschen überdramatisiert, aber es ist jedenfalls ziemlich neblig in Ihrer Haupstadt und das kommt von den vielen Autos, die sich durch ihre Straßen drängeln. Dass die Stadt in einer Senke liegt und der Smog daher kaum abzieht hilft auch nicht weiter, die Belastung der Einwohner besonders durch Stickstoffemissionen sind einfach zu hoch.
Jeder "normale" Grüne würde jetzt fragen, woher die Abgase kommen. Er würde sich erinnern, dass mehrere große Autokonzerne (unter anderem Daimler aus Stuttgart) gerade arge Probleme haben, zu erklären, warum ihre Autos die gesetzlichen Stickstoff-Emmissions-Grenzwerte nur auf dem Prüfstand einhalten, im normalen Fahrbetrieb aber auf einmal das Vielfache davon ausstoßen. Daraus würde er schließen, dass eine sinnvolle Maßnahme gegen die hohen Stickstoffwerte der Stuttgarter Luft sein könnte, Autos mit zu hohem Stickstoffausstoß (beispielsweise viele Dieselfahrzeuge) in der Stadt nicht mehr fahren zu lassen. Das wäre also auch die Maßnahme, die man von einem grünen Ministerpräsidenten erwarten würde. Richtig, Herr Kretschmann?

Offensichtlich nicht, denn Sie versuchen gerade, sich um eine derartige Entscheidung herumzumogeln. Zwar stand in Ihrem Entwurf eines Luftreinhaltungsplans vom März noch, man wolle bestimmte Strecken ab 2018 dieselfrei halten, dieser Teil wurde allerdings wieder gestrichen. Stattdessen wollen Sie das Stattgebiet Stuttgart ab 2020 zur "blauen Umweltzone" machen - was überhaupt nichts bringt, solange die Bundesregierung die blaue Plakette für verhältnismäßig "saubere" Autos nicht einführt. Solange der Verkehrsminister allerdings Alexander Dobrindt heißt, wird das wohl kaum passieren. Die Maßnahme wäre also aller Wahrscheinlichkeit nach wirkungslos - außer natürlich, die Bundestagswahl bringt einen deutlichen Wechsel im bundespolitischen Machtgefüge. Danach siehr es im Moment aber nicht aus.

Neben der Umweltzone ist Ihre Strategie momentan, auf Umrüstung der motorisierten Dreckschleudern zu setzen. Diese Umrüstungen sind jedoch freiwillig. Und wer macht sich schon den zusätzlichen Stress, sein Auto umrüsten zu lassen, wenn er auch so weiter uneingeschränkt damit fahren kann? Nur eine kleine Handvoll Idealisten. Das reicht nicht, um den Stuttgarter Smog zu bekämpfen.

Ähnlich sieht das auch das Verwaltungsgericht Stuttgart. Zwar ist das Urteil noch nicht gesprochen, aber die Richter machten deutlich, dass Ihr Luftreinhaltungsplan der Überprüfung kaum standhalten dürfte. Sie, Herr Kretschmann, werden also wohl gezwungen sein, das eine oder andere Verbot durchzusetzen. Gut, dass es so kommt. Aber ist es nicht auch ein Armutszeugnis für einen Grünen-Politiker, wenn er sich von Gerichten zu grüner Politik zwingen lassen muss?

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

swr.de: War's das mit den Fahrverboten?
taz.de: Grün-Schwarz vor Niederlage

Bildquelle:

http://winfried-kretschmann.de/application/uploads/2016/01/Winfried-Kretschmann-sitzt-auf-einem-Stuhl.jpg

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