Freitag, 17. November 2017

Sehr geehrte Frau Hendricks,

ich möchte Sie beglückwünschen. Das von Ihnen beim Kieler Verfassungsrechtler Wolgang Ewer in Auftrag gegebene Gutachten ist aus Ihrer Sicht als Bundesumweltministerin sicher ein voller Erfolg. Schließlich bestätigt Ewer, dass die Bundesregierung mit der geplanten Abschaltung der letzten deutschen Aomkraftwerke 2022 auch die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen schließen darf, die etwa 10% des weltweiten Bedarfs an Brennelementen decken und beispielsweise die überalterten und störanfälligen Reaktoren beliefern, die in Frankreich (Fessenheim und Cattenom) und Belgien (Doel und Tihange) nicht weit von der deutschen Grenze stehen.

Das Gutachten gibt denjenigen Munition, die schon lange darauf drängen, dass Deutschland sich aus der Atomstrom-Produktion komplett heraushalten muss. Gut so! Zu einem richtigen Atomausstieg gehört auch der Abschied aus der kompletten Verarbeitungskette. Sonst stützen wir anderswo eine Technologie, die wir hierzulande ächten, weil sie uns zu gefährlich erscheint. Aber was heißt hier anderswo? Wenn es in Frankreich oder Belgien zu einer Kernschmelze kommt, machen die paar Kilometer bis Deutschland keinen großen Unterschied.

Ihre Einschätzung, dass die Produktion von Brennelementen in Deutschland so bald wie möglich ein Ende finden muss, kann ich also nur unterstützen. Nachdenklich stimmt mich eher der Zeitpunkt dieses Vorstoßes. Im Februar dieses Jahres haben Sie das Gutachten bei Herrn Ewers in Auftrag gegeben - fertig geworden ist es erst, als von Ihnen als Umweltministerin einer scheidenden Regierung niemand mehr einen Gesetzesentwurf erwartete. Sie sind auf dem Weg in die Opposition, Frau Hendricks. Ist das der Grund dafür, dass Sie auf einmal Lust auf dieses schwierige Thema haben?
Wäre ein solches Gutachten mitten in der Legislaturperiode herausgekommen, dann wäre das, was damit erreicht worden wäre, als Ihr Erfolg oder Misserfolg ausgelegt worden. Durch die veröffentlichung knapp vor Amtsübergabe schieben Sie die Pflicht, zu handeln, Ihrer/m Nachfolger(in) zu, während Sie sich selbst einen guten Grund verschaffen, aus der Opposition gegen sie oder ihn zu wettern. Dass Sie das Gutachten schon im Februar in Auftrag gegeben haben, macht keinen großen Unterschied - der Wahlkampf ging gerade los und ein in Auftrag gegebenes Gutachten klingt nach Fortschritt, erspart es einem aber zunächst, eine politische Entscheidung durchzukämpfen.

Bei allem Zweifel an Ihren Motiven muss ich doch sagen: Das Gutachten und der politische Weg, den es öffnet, sind richtig und wichtig. Wenn es wirklich zu einer Jamaica-Koalition kommen sollte (ich las gerade die schöne Bezeichnung "Schwagrülb", die mir eigentlich besser gefällt - insbesondere klanglich), wäre es sicher nicht schlecht, wenn Sie aus der Opposition auch an dieser Stelle nicht locker lassen. Ob ich Sie noch einmal in Regierungsverantwortung sehen möchte, weiß ich allerdings noch nicht. Ich hätte mir von Ihnen in einer so wichtigen Frage schon früher mehr Initiative gewünscht.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

NDR.de: Gutachten: Atomfabriken können stillgelegt werden
RP-online: Atomfabriken Gronau und Lingen dürfen stillgelegt werden

Bildquelle:

http://barbara-hendricks.de/wp-content/uploads/2017/09/Barbara_Hendricks_169.jpg

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