Freitag, 10. November 2017

Sehr geehrter Herr Mohammed bin Salman al-Saud,

schon lange bevor Sie im Juni dieses Jahres zum Kronprinzen Saudi-Arabiens ernannt wurden, war der Krieg im Jemen ganz wesentlich Ihr Projekt. Die Militärintervention - das Wort Krieg nimmt man ja heutzutage nicht mehr in den Mund, wenn man nicht über längst vergangene Tage spricht - steht unter saudischer Führung und Sie sind seit der Thronbesteigung Ihres Vaters 2015 Verteidigungsminister. Man sollte meinen, dass jeder Krieg als humanitäre Katastrophe bezeichnet werden kann - der Einsatz im Jemen übertrifft hierin jedoch die meisten anderen. Auf Zivilisten wird keine Rücksicht genommen, ganze Provinzen werden zum Ziel von Bombardements erklärt - so wie im Mai 2015 die Provinz Sa'da. Inzwischen sind mehr als 70% der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das sind etwa 20 Millionen Menschen.

Der Stellvertreterkrieg, den Sie sich im Jemen mit dem Iran liefern (der aber zugegebenermaßen inzwischen mehr beteiligte Interessengruppen hat, als sinnvollerweise in einem einzigen Blogeintrag erwähnt werden können), hat also schon genug Leid verursacht. Es wäre an der Zeit, dass die beiden Mächte im Hintergrund - Saudi-Arabien samt regionalen Verbündeten und internationalen Unterstützern einerseits, der Iran andererseits - endlich anfangen, sich aufeinander zu zu bewegen, mindestens aber in dieser einen Frage das Wohlergehen von Millionen Jemeniten jeder weltanschaulichen oder machtpolitischen Erwägung voranzustellen.

Was geschieht stattdessen? Sie, der vorbestimmte Alleinherrscher Saudi-Arabiens und seit dem 04. November alleiniger Chef des gesamten Sicherheitsapparats (Wissen Sie noch? Da haben Sie einen ganzen Haufen einflussreicher Prinzen und Minister wegen Korruptionsvorwürfen festnehmen lassen, Sie beschließen, die Bevölkerung des Jemen für eine von "ihrem" Territorium abgefeuerte (und vom saudischen Militär abgefangene) Raketeordentlich büßen zu lassen - indem Sie den gesamten Warenverkehr über die jemenitischen Grenzen blockieren.

Wen treffen Sie mit dieser Maßnahme? Den Iran, dem Sie die Schuld für den Raketenangriff geben? Wohl kaum. Das Leiden im Jemen ist der iranischen Führung wohl ebenso gleichgültig, wie Ihnen. Den Huthi-Rebellen, die der Iran unterstützt und gegen die Sie im Jemen - neben einem unüberschaubaren Wust regionaler und international tätiger Milizen - kämpfen? Vielleicht auch, aber wer eine Region unter Kontrolle hat, wird wohl eher als letzter verhungern. Nein, in erster Linie treffen Sie die Zivilbevölkerung. Dringend benötigte humanitäre Hilfen kommen nicht im Jemen an. Medikamente, die für die Bekämfunge der Cholera-Epidemie gebraucht werden, an der bereits 900.000 erkrankt sind, werden an den Grenzen nicht durchgelassen. Marc Lowcock, UNO-Nothilfekoordinator, fürchtet, die Blockade könne die schlimmste Hungersnot zur Folge haben, die die Welt in den letzten Jahrzehnten erlebt hat. Schlimmer als in Somalia, schlimmer als im Südsudan - Lowcock prognostiziert Millionen Tote.

Das Fazit, das auch Sie hätten ziehen können, noch bevor Sie die Schließung der jemenitischen Grenzen überhaupt veranlasst haben: Die Blockade trifft die Falschen. Sie wird nichts dazu beitragen, den Konflikt im Jemen zu lösen, weder in Ihrem Sinne, noch in Form von irgendeinem Kompromiss. Mein Vorschlag: Heben Sie die Blockade wieder auf und suchen Sie Wege, den Krieg im Jemen so schnell und schonend wie möglich zu beenden.
Gerade kommt mir eine Idee. Sie geben sich doch gerne als Reformer, um im Westen besser anzukommen (z.B. Ihre - grundsätzlich sehr gute - Entscheidung, Frauen das Autofahren zu erlauben oder Ihre Anküdigung im Oktober, die ultrakonservativen Religionsprinzipien in Ihrem Land aufzuweichen). Warum geben Sie dieser Selbstdarstellung nicht ein bisschen Substanz und reformieren das Verhältnis zum Iran? Damit Sunniten und Schiiten miteinander klarkommen braucht es vor allem Leute, die ihnen klarmachen, dass sie miteinander klarkommen dürfen. Das wäre doch eine lohnende Aufgabe. Als erstes Versöhnungsprojekt würde sich zum Beispiel die gemeinsame Bewältigung der Krise im Jemen anbieten. Sie glauben gar nicht, wie viel zwei mächtige Staaten erreichen können, wenn sie nicht gegen- sondern miteinander arbeiten. Und wissen Sie, wie gut das bei Ihren internationalen Partnern ankommen würde?

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:

Spiegel online: Saudi-Arabien und Iran nehmen ein Volk in Geiselhaft
taz.de: Kurz vor der Katastrophe

Bildquelle:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/52/Crown_Prince_Mohammad_bin_Salman_Al_Saud_-_2017.jpg

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