Freitag, 15. Dezember 2017

Sehr geehrter Herr Dobrindt,

keinen Bock auf regieren? Lieber Neuwahlen und auf Schwarz-Gelb hoffen? Keine Frage, mit der FDP zu regieren wäre für Ihre Partei bestimmt um einiges entspannter. Schaut man sich die aktuellen Umfragen an, stehen die Chancen für ein solches Bündnis allerdings eher schlecht. Die CDU/CSU steht relativ unbeweglich auf ihrem Ergebnis vom September, die FDP dagegen hat eher ein paar Pünktchen verloren.


Was also ist Ihr Plan? Dass Sie unter keinen Umständen eine GroKo wollen, haben Sie ja recht deutlich zum Ausdruck gebracht. Sicher, kaum jemand will Schwarz-Rot wirklich, aber die meisten Unionspolitiker hören sich eher so an, als zögen sie diese Option möglichen Neuwahlen vor. Sie dagegen lehnen es ab, der SPD auch nur in einer ihrer wichtigsten Forderungen entgegenzukommen - und das, bevor die Sozialdemokraten auch nur Sondierungsgesprächen zugestimmt hätten. Bürgerversicherung - auf keinen Fall. Familiennachzug - unter gar keinen Umständen. Wen Sie nicht annehmen, dass die SPDler sich einer Koalition mit der Union anschließen, ganz einfach, weil sie Horst Seehofer so sympathisch finden, kann das nur heißen, dass Sie diese Koalition von vornherein ablehnen. Sie haben nicht nur eine rote Linie definiert - Sie haben das Regierungsprogramm der Union passgenau mit roten Linien umrahmt. Ohne Spielraum aber gibt es keine Verhandlungen. Die SPD hat ein eigenes Wahlprogramm und wird dieses nicht einfach ohne Gegenleistung zu den Akten legen.

Das Argument, selbst die Grünen seien dazu bereit gewesen, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte weiterhin auszusetzen, ist im Übrigen erlogen. Zumindest gibt es nicht den Verhandlungsstand wieder, den die Sondierungsparteien kurz vor Ende der Sondierungen in die Öffentlichkeit getragen haben. Der Vorschlag der Grünen lautete, die Zahl von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr nicht als Obergrenze, sondern als "atmenden Deckel", einzuführen, aber nur, wenn dafür der Familiennachzug wieder möglich ist. Natürlich kann man sich über diesen Kompromiss trefflich streiten. Zu behaupten, die Grünen seien zu einer weiteren Aussetzung bereit gewesen, beschreibt aber ziemlich genau das Gegenteil dessen, was die Verhandlungen gezeigt haben. Ihr eigener Parteichef Seehofer hingegen hatte schon erkennen lassen, dass er mit einem solchen Kompromiss hätte leben können.

Auch die Behauptung, "die Menschen woll[t]en [...] nicht mehr Zuwanderung, eher weniger" ist eine Frechheit. Hier verallgemeinern Sie in einer Weise, die einfach nicht zulässig ist. Was "die Menschen" wollen haben zunächst mal nicht Sie zu definieren, schon gar nicht, ohne Beweise dafür zu erbringen. Des Weiteren gibt es unter den Menschen, auf die Ihre Aussage zutrifft, mit hoher Wahrscheinlichkeit einen nicht unbedeutenden Anteil, der sich zwar aus diffusen Gründen allgemein Sorgen über die Zuwanderung macht, der aber trotzdem der Meinung ist, dass man Menschen aus Kriegsgebieten aufnehmen muss und dass auch die Familien der Menschen, die hier ankommen, unseren Schutz brauchen und das Recht darauf haben, zusammenzubleiben.

Herr Dobrindt, Sie arbeiten mit unehrlichen Argumenten, um entweder Neuwahlen zu erzwingen - was Ihnen laut aktuellen Umfragen nicht zupass käme - oder Ihre Verhandlungsposition zu stärken - was nicht funktioniert, weil das Prinzip solcher Handlungen darin besteht, dass beide Seiten sich aufeinander zubewegen. Wie auch immer die ganze Sache ausgeht: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie scheitern, ist ziemlich hoch. Aber ganz ehrlich, bei solchen Äußerungen wünsche ich Ihnen gar nichts anderes.

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund:
fr.de: CSU lehnt Kernforderungen der SPD ab

Bildquelle:
http://www.alexander-dobrindt.de/fileadmin/user_upload/images/alexander-dobrindt-2014.jpg

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen