Freitag, 29. Juni 2018

Sehr geehrter Herr Gribl,

noch gibt es keine allzulaute Kritik an Ihnen persönlich. Schließlich lassen Sie nicht dauernd derartige Geschmacklosigkeiten vom Stapel, wie das Ihre Parteifreunde Seehofer, Söder und Dobrindt gerne tun. Dennoch geben Sie ein gutes Beispiel dafür, wie wenig die Strategie Ihrer Parteigranden gerade fruchtet, bzw. wie sie das erreicht, was niemand in der CSU je erreichen wollte.

Ich beziehe mich hier auf Ihre Zusage, am Samstag bei der Abschlusskundgebung der Protestdemonstration gegen den AfD-Parteitag in Augsburg zu demonstrieren. Nicht, dass ich kritisieren wollte, dass Sie als Oberbürgermeister der Stadt auf dieser Kundgebung sprechen, im Gegenteil. Auch wenn Sie aus Angst vor juristischen Schritten der AfD bereits angekündigt haben, als Bürgermeister Neutralität wahren zu wollen, ist Ihr Auftritt auf der Anti-AfD-Demo zumindest ein Statement gegen diesen Rassist*innenverein, das ich aus vollem Herzen unterstütze.
Das Problem ist, dass ich zwar das Statement begrüße, ihm jedoch keinen Glauben schenken kann. Ihre Partei hat auf Bundes- und Landesebene jede Glaubwürdigkeit beim Thema Antirassismus verspielt. Wenn ein*e CSUler*in gegen den AfD-Parteitag spricht, läuft er oder sie fast zwangsläufig Gefahr, die eigene Parteilinie zu unterminieren. Die CSU war noch nie sonderlich progressiv, aber seitdem der AfD nicht mehr ernsthaft widersprochen, sondern ihre Positionen quasi als Blaupause für CSU-Positionierungen genutzt werden, sind die Unterschiede zu gering. Substantielle AfD-Kritik funktioniert nicht, wenn man im Grunde dieselbe Meinung vertritt. Ihnen und Ihren Parteifreund*innen bleibt nur, ein paar zahnlose Floskeln in den Raum zu werfen und die letze fremdenfeindliche Formulierung aus AfD-Reihen zu kritisieren, die Politiker*innen aus Ihren eigenen Reihen leicht paraphrasiert in der nächsten Woche in einer eigenen Rede verwenden. Die CSU kennt man nur noch als verkappte AfD-Fanpartei. Auch die jüngsten Umfrageergebnisse aus Bayern bestätigen dieses Bild: Ihre Christsozialen haben AfD-Positionen erfolgreich hochgejubelt und dürfen nun zusehen, wie die AfD stärker wird, während die eigenen Umfragewerte sinken.

Was werden Sie nun am Samstag sagen? Wie wollen Sie als CSUler es schaffen, auf einer Anti-AfD-Demo authentisch zu wirken? Bei allem Respekt, aber die Aufgabe ist eine Nummer zu groß für Sie. Es ist zu bezweifeln, dass das überhaupt jemand schaffen könnte.

Einen Ausweg gibt es allerdings noch: Sie könnten einfach austreten. Nicht aus Ihrer Demobeteiligung, sodern aus der CSU. Stellen Sie sich den Effekt vor, wenn Sie am Samtag auf der Abschlusskundgebung der Anti-AfD-Demo öffentlich Ihren Parteiaustritt erklären würden! Das wäre ein glaubhaftes Statement gegen Rassismus und Deutschtümelei, also thematisch durchaus passend, und wenn Sie die richtigen Worte fänden, um die antiliberalen und menschenfeindlichen Tendenzen in der Führungsriege der CSU mit den Positionen der AfD zu verknüpfen, hätten Sie sogar die Möglichkeit, trotz Neutralitätsgebot etwas substantielle AfD-Kritik an den Menschen zu bringen. Und dann erst die Öffentlichkeitswirksamkeit... Sie könnten sich in Hinblick auf eine Wiederwahl in zwei Jahren schon mal als charakterstarker Politiker inszenieren, dem seine Überzeugungen über Parteifragen gehen. Na? Wäre das nichts? Ich rechne mit Ihnen!

Mit freundlichen Grüßen

HG

Der Hintergrund

augsburger-allgemeine.de: OB Gribl spricht bei Kundgebung gegen die AfD
taz.de: Mit der CSU gegen die AfD

Bildquelle

https://www.csu.de/generated/pics/Gribl_3e0fb9bdda.png

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen